Seydler, Ludwig Carl (1810-1888), Organist, Komponist und Schullehrer

Seydler Ludwig Carl, Organist, Komponist und Schullehrer. Geb. St. Leonhard, Stmk. (Graz, Stmk.), 8. 3. 1810; gest. ebd., 10. 5. 1888. Sohn des Schulmeisters und Regenschori von St. Leonhard Josef Anton (1764–1836), Vater des Anton S. (s. u.). S. verdankte es seiner schönen Knabenstimme, daß er im Grazer Landestheater erste musikal. Erfahrungen sammeln konnte. Da die finanziellen Mittel für eine höhere Ausbildung fehlten, besuchte er den Präparandenkurs und unterstützte als Schulgehilfe seinen Vater (ab 1836 dessen Nachfolger).1825 bis ca. 1830 war er Schüler des Grazer Domorganisten Karl Lamprecht im Orgelspiel und Kontrapunkt. Nachdem S. Lamprecht schon in dessen letzten Lebensjahren an der Orgel vertreten hatte, wurde er nach dessen Tod 1837 zum Hof- und Domorganisten berufen, ein Amt, das er bis zuletzt innehatte. Zunächst ein Vertreter der strengen Regensburger Richtung der kirchenmusikal. Reformbewegung des Cäcilianismus, setzte er gleich zu Beginn eine Reform des Choralgesangs an der Domkirche durch. Später trat er entschieden als Anhänger der gemäßigten österr. Variante des Cäcilianismus auf, indem er die Tradition der Instrumentalmesse der Wr. Klassik in seinen kirchenmusikal. Kompositionen im Sinne Neukomms (s. d.), der ebenso wie Sechter (s. d.) zu seinem Bekanntenkreis zählte, weiterführte und in einer scharfen Polemik gegen führende Vertreter der strengen Richtung verteidigte. Ab 1842 Lehrer für Orgelspiel und Generalbaß an der Präparandie, war S. 1851–81 auch Lehrer für Choralgesang im Priester- und Knabenseminar der Seckauer Diözese. Neben der Kirchenmusik lag ihm der Musikverein für Steiermark bes. am Herzen (ab 1844 Dion.mitgl.), obwohl er sich 1861 erfolglos um dessen artist. Leitung bewarb. S. war auch einer der ersten Förderer der aufkommenden Männergesangsver. und gab als solcher die Anregung zur Gründung des Gesangsver. Styria (1881 Ehrenmitgl.). Er galt zu seiner Zeit als einer der besten Organisten Österr., einen Ruf an die Kathedrale von Dijon lehnte er 1866 ab. 1844 komponierte S. anläßl. des 25jährigen Jubiläums der Stmk. Landwirtschaftsges. das Lied „Hoch vom Dachstein an“ (Text von Dirnböck, s. d.), das 1929 zur Landeshymne der Stmk. erklärt wurde. Als Musikschriftsteller war er 1841–48 für August Schmidts (s. d.) „Allgemeine Wiener Musik-Zeitung“ und für die Luxemburger „Caecilia“ tätig. 1868 wurde S. aufgrund seiner Verdienste um die Auffindung von Mozart-Autographen in der Stmk. zum Ehrenmitgl. des Mozarteums Salzburg ernannt und 1878 mit dem goldenen Verdienstkreuz mit der Krone ausgez. Sein Sohn und ab 1888 Nachfolger als Domorganist Anton S. (geb. St. Leonhard, 13. 6. 1850; gest. Graz, 21. 3. 1908) legte die Lehramtsprüfung für Dt., Griech. und Latein ab und lehrte kurze Zeit als Gymn.lehrer in der Stmk., widmete sich aber bald der Musikpublizistik und- pädagogik. Er wirkte als Musiklehrer an der Grazer Lehrerbildungsanstalt und an der Musikschule des Musikvereins für Steiermark, war lange Jahre Musikreferent des „Grazer Volksblatts“ und veröff. zahlreiche Beitrr. in in- und ausländ. Ztg. und Musikz., u. a. in der Leipziger „Neuen Zeitschrift für Musik“. 1904 wurde er zum „wirkenden Mitglied“ der „Gesellschaft zur Herausgabe von Denkmälern der Tonkunst in Oesterreich“ ernannt, mit dem Ziel, an der geplanten „Volksausgabe“ einzelner Bde. für den prakt. liturg. Dienst mitzuarbeiten. Im Unterschied zu seinem Vater vertrat Anton S. die Richtung des strengen Regensburger Cäcilianismus.

W.: mehrere Messen; 2 Requien; Hymnen; Te Deum; Responsorien; Die sieben Worte des Erlösers am Kreuze, 1860 (Oratorium); Feyerklänge zur Ehre Gottes und der Heiligen. Eine Smlg. geistl. Lieder ..., 5 Bde., 1845, 2. Aufl. 1858; Maiblüthen ..., 1857, 2. Aufl. 1898 (Kirchenlieder); Ein Besuch Mohameds (Oper); Der Schatzgräber (Operette); Männerchöre; Tänze. – Publ.: Der hypothesirte S. Stehlin´sche Choral ... Ein Beitr. zur Kenntniß des Choral-Systems ..., 1869; Abwehr gegen die maßlosen Angriffe des Herrn F. Witt ... contra Bischöfe, Componisten und Chorregenten in Oesterr., Ungarn und Böhmen, 1876; etc. – Anton S.: Männerchöre; etc. – Publ.: Geschichte des Domchores in Graz von den Zeiten Erzhg. Karl III. bis auf unsere Tage, in: Kirchenmusikal. Jb. 15, 1900; Das „motu proprio“ Pius X., in: Musikbuch aus Österr. 2, 1905; etc.
L.: Grazer Volksbl., 27. 3. 1869; Tagespost (Graz), 26. 11. 1887, 11. 5. 1888 (Abendausg.), 8. 3. 1910; Kleine Ztg. (Graz), 8. 3. 1910, 28. 12. 1963; oeml (Artikel Cäcilianismus); Suppan (mit W. und L.); Wurzbach; A. Seydler, in: Kirchenmusikal. Jb. 15, 1900, S. 26ff., bes. 50ff.; F. Grasberger, Die Hymnen Österr., 1968, S. 182ff.; E. Kleinschuster, Der Cäcilianismus in der Stmk. ..., phil. Diss. Graz, 1975, s. Reg.; B. Boisits, in: Hist. Jb. der Stadt Graz 27/28, 1998, S. 659ff. – Anton S.: Tagespost (Graz), 22., 24., Grazer Tagbl., Grazer Volksbl., 22. 3. 1908; Suppan; E. Th. Hilscher, Denkmalpflege und Musikwiss. ... (= Wr. Veröff. zur Musikwiss. 33), 1995, S. 82, 88; B. Boisits, in: Hist. Jb. der Stadt Graz 27/28, 1998, S. 659ff.
(Ch. Fastl – H. Reitterer)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 56, 2002), S. 207f.
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