Sigerus, Emil (1854-1947), Volkskundler, Sammler und Historiker

Sigerus Emil, Volkskundler, Sammler und Historiker. Geb. Hermannstadt, Siebenbürgen (Sibiu, Rumänien), 19. 2. 1854; gest. ebd., 25. 3. 1947; evang. AB. – Enkel des Peter S. (s. d.), Sohn des Obersenators und Sekr. des Landwirtschaftl. Ver., Karl S. Zunächst Buchhändler in Hermannstadt, dann in Laibach (Ljubljana), ab 1880 Mitarb., hierauf bis 1915 Dir. der Versicherungsges. Transsylvania, gleichzeitig Lokalred. des „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblattes“. Impulse zum Sammeln und Erforschen von Zeugnissen der Volkskultur und des Kunstgewerbes empfing S. durch seinen Vater und auf Stud.aufenthalten u. a. in Italien (1892), Wien, Budapest, Leipzig und Dresden. Angeregt von Deschmann (s. d.), gründete er 1885 mit bereits 500 Objekten das Siebenbürger Karpathen-Mus. in Hermannstadt und blieb bis 1905 dessen Kustos. Diese Bestände stellten ab 1957 im Brukenthal-Mus. den bedeutendsten Teil der Volkskde.abt. dar, 1997 wurde großteils mit S.’ Smlg. das „Muzeul de etnografie Săsească Emil Sigerus“ eröffnet. Um die bäuerl. Webereien und Stickereien lebendig zu erhalten, zeichnete S. seine diesbezügl. Smlgg. und ed. sie in Mappenform (ab 1906). Auf dem Gebiet der Töpferkunst konnte er erstmals die Entwicklung in einigen Zentren Siebenbürgens erheben und deren Fortbestand fördern. Angeregt durch den Hrsg. der „Wiener Allgemeinen Kunstchronik“, Josef Strzygowski, erforschte er auch rumän. Volkskunst. Es gelang ihm zudem, die gefährdeten Wehranlagen der charakterist. siebenbürg.-sächs. Kirchenburgen unter Denkmalschutz zu stellen. Durch Veröff. von zahlreichen Reiseführern über Siebenbürgen und Rumänien machte er auf regionale Sehenswürdigkeiten aufmerksam und förderte in seinen histor., kulturgeschichtl. und chronist. Publ. das lokale Verständnis. Enge Beziehungen zu namhaften Forschern und Sammlern, u. a. Frimmel-Traisenau, A. Figdor (beide s. d.), und seine reiche Vortragstätigkeit samt den zahlreichen, von ihm organisierten Ausst. (u. a. Berlin 1927) trugen maßgebl. zum Verständnis und zur Rettung der traditionellen Volkskultur bei. Im Alter widmete sich S. auch humorvoller Belletristik und Lyrik. Als Sekr. des Siebenbürg. Karpathenver. 1881–1901 erwarb er sich große Verdienste um den Alpinismus, war 1914–21 Vorstand des Hermannstädter Verschönerungsver., 1904 Mitbegründer und 1907–46 Vorstand des „Sebastian-Hann-Vereins für heimische Kunstbestrebungen“. S. war Ehrenmitgl.zahlreicher Ver. sowie Träger mehrerer Orden und Auszeichnungen. Obwohl Autodidakt, gilt er als Begründer der siebenbürg.-sächs. Volkskde.

W. (auch s. u. Stephani): Siebenbürg.-sächs. Burgen und Kirchenkastelle, 1900, 5. Aufl. 1923; Siebenbürg.-sächs. Leinenstickereien, 4 Ser., 1906–1929, 8 verschiedensprachige Aufl. bis 1979; Vom alten Hermannstadt, 3 Bde., 1922; Chronik der Stadt Hermannstadt 1100–1929, 1930, 3. Aufl. 2000; etc.
L.: Völk. Beobachter (Wr. Ausg.), 20. 4. 1944; Wer ist´s?, 1935; F. Schuller, Schriftsteller-Lex. der Siebenbürger Dt. 4, 1902; E. Bedeus, E. S., 1958; M. Kroner, in: Karpatenrundschau 5, 1972, Nr. 12; Volkskundl. und kunstgeschichtl. Schriften (= Kriterion-Bücherei 14), ed. B. Stephani, 1977 (m. B. und W.); H. Sacarea – R. Capesius, in: volk und kultur (Bukarest) 30, 1978, S. 42f.; Lex.der Siebenbürger Sachsen, 1993 (m. B.); M. Kroner, in:Ostdt. Gedenktage 1997, S. 86ff.
(M. Martischnig)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 57, 2004), S. 251
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