Smetana, Friedrich (Bedřich) (1824-1884), Komponist und Pianist

Smetana Friedrich (Bedřich), Komponist und Pianist. Geb. Leitomischl, Böhmen (Litomyšl, Tschechien), 2. 3. 1824; gest. Prag, Böhmen (Praha, Tschechien), 12. 5. 1884. – Sohn eines Bierbrauers, Cousin von Josef František S. (s. d.). S. absolv. seinen ersten öff. Aufritt als Pianist bereits mit sechs Jahren, die erste erhaltene Komposition stammt aus dem Jahr 1832. Nach Abschluß seiner schul. Ausbildung 1843 am Gymn. in Pilsen (Plzeň) ging er im selben Jahr nach Prag, um sich ganz der Musik widmen zu können. Waren seine frühen Kompositionen zunächst an der zeitgenöss. Unterhaltungs- bzw. Salonmusik orientiert, bedeuteten die Prager Konzerte Liszts (s. d.) einen wichtigen Moment in S. s musikal. Entwicklung. 1844–47 wirkte er als Hauslehrer in der Familie von Leopold Gf. Thun, 1843 bzw. 1845–47 war er Schüler von Josef Proksch (s. d.). U. a. aufgrund des finanziellen Scheiterns seiner ersten Konzertreise in Westböhmen entschied sich S. endgültig für die Komponistenlaufbahn, blieb aber als Pianist weiterhin anerkannt. Im Spätsommer 1848 eröffnete er in Prage ine Musikschule. Als Komponist konzentrierte er sich damals überwiegend auf das Klavier und entwickelte allmähl. seinen Personalstil, der als Synthese der Impulse von Liszt, Chopin, Schumann u. a. mit tschech. Elementen (Polka) bezeichnet werden kann. 1854 schrieb er seine einzige Symphonie (Triumph-Symphonie). Ab 1856 wirkte S. als Musiklehrer, Chorleiter, Pianist und Kapellmeister der Philharmon. Ges. in Göteborg und komponierte hier seine ersten, unter dem Einfluß Liszts stehenden symphon. Dichtungen („Richard III.“, „Wallensteins Lager“, „Hakon Jarl“). 1861 zurückgekehrt, schloß er sich der tschech.- nationalen Bewegung an. Er wurde Chormeister des Gesangsver. Hlahol (1863–65), Vors. der Musikabt. des künstler. Ver. Umělecká beseda, war publizist. in der Ztg. „Národní listy“ tätig (1864–65) und widmete sich wieder seiner Musikschule (1863–66). S. wandte sich nunmehr v. a. der tschech. Oper zu, deren Begründung als Gattung und Institution das Ziel des tschech. Patriotismus war und wozu die Eröffnung (1862) des tschech. sog. Interimstheaters einen wichtigen Schritt bedeutete. Die erfolgreiche Urauff. seiner Oper „Braniboři v Čechách“ 1866 und die Diskussionen über einen typ. tschech. Nationalstil veranlaßten S. zu seinem nächsten Opernwerk, der kom. Oper „Prodaná nevěsta“, die später als Grundwerk der tschech. Nationalmusik verstanden, als solches aber auch instrumentalisiert wurde. 1866 Kapellmeister am Interimstheater, versuchte er an diesem eine Opernschule zu gründen, die jedoch bald scheiterte. S. s Wirken am Interimstheater wurde von den fortschrittl. Künstlerkreisen unterstützt, war aber auch beständig vom Zwist der tschech. polit. Gruppierungen, in den er einbezogen wurde, begleitet. Dies zeigte sich nach der Urauff. von „Dalibor“ anläßl. der Grundsteinlegung zum tschech. Nationaltheater (1868). Die ständige Nervenanspannung und eine vener. Erkrankung waren Ursache von S. s Ertaubung im Oktober 1874. Er mußte seine Stelle am Theater aufgeben und sich aus dem öff. Leben zurückziehen. In den darauffolgenden Jahren gelang es ihm trotz seiner gesundheitl. Probleme, Werke von dauerndem Wert zu schaffen: er vollendete u. a. seinen Zyklus von symphon. Dichtungen „Má vlast“, drei Opern und seine beiden Streichquartette. Seine ursprüngl. als Krönungsoper geschriebene „Libuše“ wurde anläßl. der Eröffnung des tschech. Nationaltheaters in Prag 1881 uraufgef., auch das nach dem Brand wieder errichtete Gebäude wurde 1883 mit diesem Werk eröffnet. Die letzten Monate seines Lebens verbrachte er in einer psychiatr. Anstalt. S. wurde bereits zu Ende seines Lebens als Nationalkomponist betrachtet, sein persönl. Stil wurde als national-tschech. aufgenommen, sein Bild durch die tschech. Publizistik und Musikgeschichtsschreibung zu einem nationalen Mythos stilisiert. Der Zwiespalt zwischen der „fortschrittlichen“ und der „konservativen“ Richtung in der tschech. Musik, als deren Leitfiguren S. einerseits, der „konservative“ Dvořák (s. d.) andererseits eingestuft wurden, führte zu Polemiken, die bis heute ihre Auswirkungen haben. Die Rezeption S. s innerhalb seines eigenen Landes war vom Widerspruch zwischen der Betonung einer nationalen kulturellen Autonomie und dem Streben nach Anerkennung auch im Ausland geprägt. Entscheidend für die weltweite Anerkennung des Opernkomponisten S. waren – nach dem durchschlagenden Erfolg der „Prodaná nevěsta“ in Wien 1892 (im Rahmen eines Gastspiels des tschech. Nationaltheaters) – die erste dt. sprachige Auff. dieser Oper am Theater a. d. Wien 1893 und v. a. die Erstauff. an der Wr. Hofoper 1896. S. s Nachlaß sowie weitere Dokumente und Quellen werden im Prager S.-Mus. aufbewahrt.

W.: s. u. Grove, 2001.
L.: ČHS; Grove, 2001; MGG; Otto; F. Laurencin, in: Dalibor 2, 1874, S. 89ff.; R. Wellek, F. S. s Leben und Wirken, 1895; O. Hostinský, B. S. a jeho boj o moderní českou hudbu, 1901, 2. Aufl. 1941; E. Rychnovsky, S., 1924; O. Zich, Symfonické básně S., 1924; V. Helfert, Tvůrčí rozvoj B. S., 1926; M. Očadlík, Libuše. Vznik S. zpěvohry, 1939; Z. Nejedlý, B. S. 1–7, 1950–54; H. Boese, Zwei Urmusikanten: S. – Dvořák, 1955; B. Large, S., 1970; Hudební věda 11, 1974 (Sammelbd.); K. Janeček, S. komorní hudba, 1979; J. Smolka, S. vokální tvorba, 1980; ders., S. symfonická tvorba, 1984; J. Jiránek, S. operní tvorba 1–2, 1984–89; M. Ottlová – M. Pospíšil, B. S. a jeho doba, 1997; B. S. Zeit, Leben, Werk, 1998; J. Štefan, in: Hudební věda 41, 2004, S. 316f., 340; V. Reittererová – H. Reitterer, Vier Dutzend rothe Strümpfe ... Zur Rezeptionsgeschichte der „Verkauften Braut“ ... (= Theatergeschichte Österr. 3/4), 2004.
(V. Reittererová)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 58, 2005), S. 366ff.
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