Smolenskin (Smolenski), Perez (Peter) (1842-1885), Schriftsteller, Journalist und Zionist

Smolenskin (Smolenski) Perez (Peter), Schriftsteller, Journalist und Zionist. Geb. Monastyrschtschina (Rußland), 25. 2. 1842 (?); gest. Meran, Tirol (Merano/Meran, Italien), 1. 2. 1885; mos. – Bruder von Leon (Leib) S. (geb. Monastyrschtschina, 1837; gest. Wien, 13. 12. 1929), Vater von Max Smolensky (s. d.). S. folgte zwölfjährig seinem Bruder Leon zum Yeshivahstud. nach Schklow (Škloŭ), wo er jedoch mit Ideen der Haskalah in Berührung kam, Russ. lernte und säkulare Bücher las, weswegen er vor den Chassiden zuerst nach Ljubawitschi, dann nach Vitebsk (Vicebsk) flüchten mußte. 1862–67 in Odessa, stud. er dort Musik und Sprachen, verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Hebr.lehrer und veröff. erste Artikel in der Z. „Ha-Meliz“. Über Dtld. und Böhmen kam S. nach Wien, wo er sich 1868 – wie kurz vor ihm auch sein Bruder – niederließ. Da S.s finanzielle Verhältnisse ein Univ.stud. nicht zuließen, begann er in einer Druckerei zu arbeiten, die er ab 1875 leitete. S. wurde v. a. als Begründer und Hrsg. der Z. „Ha-Shahar“ (ab 1868) bekannt, die das wichtigste hebr. Medium der späten Haskalah und der beginnenden jüd.-nationalen Bewegung wurde.Die Z., bei der ihn sein Bruder wesentl. unterstützte, hatte rund 1.400 Abonnenten und zählte damit zu den meistverbreiteten jüd. Periodika. S.s Wanderjahre und Erfahrungen mit der religiösen Strenggläubigkeit in Osteuropa und seine Eindrücke über das jüd. Leben in Westeuropa fanden Eingang in seiner autobiograph. Erz. „Ha-Toeh Be-Dareche Ha-Hayim“ (1876), dem in den 1870er Jahren meistgelesenen Buch in hebr. Sprache, mit dessen Inhalt sich eine ganze Generation junger Juden, die zwischen „Ost und West“ standen, identifizieren konnte. S.s Ansichten über das zeitgenöss. jüd. Leben spiegeln sich v. a. in seinen Erz. („Simhat Hanef“, 1872, „Kevurat Hamor“, 1873, „Ga’on va-Shever“, 1874, „Gemul ha-Yesharim“, 1875, „Ha-Yerushah“, 1876/77, etc.) wider. In diesen trat S. zwar für eine Modernisierung des jüd. Lebens ein, stand aber einer Assimilation sehr krit. gegenüber. In seinen Essays beschäftigte er sich vordringl. mit dem jüd. kulturellen Nationalismus, dessen erste Spuren bereits in den späten 1860er Jahren bemerkbar waren. Nach S. stellen die Juden eine „spirituelle Nation“ dar, deren Partikularität durch die Torah, ihre messian. Erwartungen, ihre Anhänglichkeit an die hebr. Sprache und ihre hist. Erinnerung aufrechterhalten werde. Seine Haltung schlug sich auch in seiner Kritik am Wr. Oberrabb. A. Jellinek (s. d.) und an der Kultusgmd. wegen ihrer Vernachlässigung der hebr. Sprache nieder. Die russ. Pogrome von 1881 machten S. jedoch bewußt, daß kultureller Nationalismus für ein Überleben des jüd. Volkes nicht ausreichend sei, weswegen er sich konsequent für die jüd. Besiedlung Palästinas einsetzte. Gem. mit Reuben Bierer, M. T. Schnirer (s. d.) u. a. gehörte er zu den Gründern der ersten zionist. Studentenvereinigung Westeuropas, der Kadimah. S., einer der wichtigsten Theoretiker des Zionismus, schuf mit seinen schriftl. Arbeiten auch die Grundlage für den literar. Realismus in hebr. Sprache.

L. (auch unter Smolensky): Enc. Jud. (m. B.); Hdb. jüd. AutorInnen; Jew. Enc. (Internetausg., m. B. und L.); Jüd. Lex. (m. B.); Univ. Jew. Enc. (m. B.); Wininger; The Zionist Idea, ed. A. Hertzberg, 1959, S. 142ff.; B. Kurzweil, in: Leo Baeck Inst. Yearbook 6, 1961, S. 173f.; Ch. H. Freundlich, P. S., 1965 (m. B.); A. Gaisbauer, Davidstern und Doppeladler (= Veröff. der Komm. für neuere Geschichte Österr. 78), 1988, s. Reg.; R. Wistrich, The Jews of Vienna in the Age of Franz Joseph, 1989, s. Reg.; H. M. Sachar, A History of Israel, 1991.
(K. Hödl)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 58, 2005), S. 375f.
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