Smolka, Franciszek (1810-1899), Politiker

Smolka Franciszek, Politiker. Geb. Kałusz, Galizien (Kaluš, Ukraine), 5. 11. 1810; gest. Lemberg, Galizien (L’viv, Ukraine), 4. 12. 1899. – Sohn einer Ungarin und eines aus preuß. Schlesien stammenden Salinenbeamten, Vater von Stanisław v. S. (s. d.).Nach Besuch des Gymn. und der Univ. in Lemberg war S. zunächst Praktikant bei der Kammerprokuratur, quittierte jedoch 1834 den Staatsdienst und wandte sich – 1836 Dr. jur. – neben der Advokatur der nationalpoln. konspirativen Tätigkeit zu. Als führende Persönlichkeit des Geheimbunds der „Volksfreunde“ wurde er 1841 verhaftet und 1845 zum Tod verurteilt, jedoch unmittelbar darauf begnadigt. 1848/49 gehörte S. zu den führenden polit. Aktivisten, zunächst in Lemberg als Mitverf. der März-Petition und Mitbegründer sowie Vizepräs.des poln. „Nationalrats“, den er am Prager Slawenkongreß vertrat. Bleibende Anerkennung aufgrund seines entschiedenen Eintretens für das Parlament, den Konstitutionalismus und die Rechte der Nationalitäten schuf er sich durch seine Tätigkeit im Reichstag, wo er als Mitgl. des Verfassungsausschusses sowie als Parlamentspräs.während der Wr. Revolutionswirren im Oktober 1848 und in Kremsier (Kroměříž) wirkte. Während des Neoabsolutismus beschränkte sich S. auf seine Tätigkeit als Advokat und erwarb diverse Landgüter in Ostgalizien. 1861 kehrte er in die Politik als Abg. des galiz. LT, des RR sowie als Mitgl.des Lemberger Stadtrats (bis 1879) zurück. Wegen seiner Distanzierung vom Jänneraufstand in Russ.-Polen, die ihm Morddrohungen einbrachte, sowie eines persönl. finanziellen Debakels geriet S. jedoch in eine schwere Lebenskrise, die in einem Selbstmordversuch gipfelte. In den späten 1860er Jahren erlebte er als Verfechter eines föderalist. Umbaus der Habsburgermonarchie den zweiten Höhepunkt seiner polit. Karriere. Sein neuerl. Agieren am linken Rand des polit. Spektrums unterstrich S. im LT mit national-autonomist. Anträgen sowie mit der Gründung des National-Demokrat. Ver. (1868–71), mit dessen Hilfe er in Lemberg eine nationalpatriot. Basisbewegung zu initiieren versuchte. Wie die gesamte poln. Elite verfolgte auch S. seit den 1870er Jahren im Zuge der Etablierung der „galizischen Autonomie“ einen Kurs der polit. Mäßigung. Seine endgültige Versöhnung mit dem staatspolit. Status quo besiegelte er in der Ära Taaffe, in der er zunächst als Vizepräs. (ab 1879), danach als Präs. des Abg.hauses (1881–93) fungierte; 1882 Geh. Rat. 1893 HH-Mitgl. auf Lebenszeit, nahm er jedoch dieses Mandat nicht an. S.s Bedeutung als führender Politiker geht auch aus Ehrungen seitens der Stadt Lemberg und des Parlaments in Wien hervor.

W. (auch s. u. PSB): Polit. Briefe über Russland und Polen oder wenn man will: die poln. Frage, 2 Ser., 1868–69; Dziennik F. S. 1848–49 w listach do zony, 1912; etc.
L.: Dziennik Polski, 5.–7. 12. 1899; ADB; Czeike; Hahn, 1873, 1879, 1885, 1891; PSB (m. W. und L.); Wurzbach; K. Widmann, F. S. ..., 1886 (dt. Kurzfassung 1887); J. B.Chołodecki, F. S., 1913 (m. B.); E. Olszewski, in: Polacy w austriackim parlamencie / Die Polen im österr. Parlament, 1997, S. 192ff. (m. B.).
(H. Binder)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 58, 2005), S. 379
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