Sontag Henriette (eigentl. Gertrudis Walpurga), verehel. Gfn. Rossi, auch Freifrau v. Lauenstein, Sängerin. Geb. Koblenz, Frankreich (Dtld.), 3. 1. 1806; gest. Ciudad de México (Mexiko), 17. 6. 1854. – Tochter der am Prager Ständetheater engag. Schauspielerin Franziska S., geb. Mar(c)klof(f)(geb. Heddernheim, Hessen / Frankfurt am Main, Dtld., 12. 1. 1787 [1789]; gest. Dresden, 10. 4. 1865), Schwester der Sängerin Nina (Anna) S. (geb. Koblenz, 26. 11. 1811; gest. Marienthal, Preußen/Dtld., 22. 9. 1879), die 1845 als Nonne (Klostername Juliana) in das Kloster Marienthal eintrat. S. stand bereits mit fünf Jahren in Kinderrollen auf der Bühne, kam 1816 nach Prag und erhielt 1817–21 am Konservatorium Klavierunterricht von F. W. Pixis (s. d.), im Gesang wurde sie von der ehemaligen Opernsängerin Marianne Czejka-Auernhammer und von Kapellmeister Josef Triebensee ausgebildet. 1819 beging sie ihr Debüt als Opernsängerin am Prager Ständetheater als Prinzessin von Navarra in François-Adrien Boieldieus „Johann von Paris“. Mit der selben Rolle gab sie 1822 ein überaus erfolgreiches Gastspiel am Theater a. d. Wien, wo sie auch die Agathe in Carl Maria v. Webers „Der Freischütz“ und die Myrrha in Peter v. Winters „Das unterbrochene Opferfest“ sang. Im Wr. Kärntnertortheater erschien sie zum ersten Mal als Rosina in Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ (1822), weiterhin als Agathe, Pamina in Mozarts „Die Zauberflöte“ und Amenaide in Rossinis „Tancred“. 1823 trat sie ihr Wr. Engagement als Donna Anna in Mozarts „Don Juan“ im Theater a. d. Wien an, später sang sie dort auch die Zerline in dieser Oper. 1823 trat sie erstmals als Mitgl. der italien. Opernges. im Kärntnertortheater als Elena in Rossinis „La Donna del lago“ auf. 1823– 25 gehörte sie der Wr. Hofoper an, ihr Repertoire erweiterte sich um Rollen wie Susanna in Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ und Phillis in Joseph Weigls „Nachtigall und Rabe“. 1823 sang sie auf Webers Wunsch die Titelrolle in der Urauff. von dessen „Euryanthe“ im Kärntnertortheater, eine ihrer bedeutendsten Kreationen. Beethoven (s. d.), mit dem sie befreundet war, vertraute ihr das Sopransolo in einer tw. Auff. der „Missa solemnis“ sowie in der Urauff. der 9. Symphonie (1824) an. 1825 verabschiedete sich S. mit einem Konzert von Wien, wo sich ihr Aufstieg zu einer der bedeutendsten Gesangskünstlerinnen ihrer Epoche vollzogen hatte. Sie begab sich zunächst nach Leipzig, dann nach Berlin, wo sie am Königstädter Theater und später an der Hofoper triumphale Erfolge erlebte und zum vergötterten Idol aufrückte („Sontag-Fieber“). Äußerst erfolgreich war sie 1826 und 1828 in Paris (Théâtre italien), ebenso in London (1828). Obwohl ihr Rollenfach begrenzt war, stand sie auf gleicher Höhe mit gefeierten Zeitgenossinnen vom Range einer Maria Malibran oder einer Pasta (s. d.). 1827 vermählte sie sich mit dem sardin. Diplomaten Carlo Gf. Rossi. Im Alter von 24 Jahren gab sie ihre Künstlerlaufbahn auf und sang nur noch gelegentl. in Hofkonzerten. Um die nicht standesgemäße Ehe der öff. Kritik zu entziehen, wurde S. vermutl. 1831 von Kg. Friedrich Wilhelm III. zur „Freifrau von Lauenstein“ erhoben. 1838–43 lebte sie hauptsächlich in St. Petersburg. Nach dem Vermögensverlust ihres Gatten (1848) kehrte sie wieder zu Bühne und Konzertsaal zurück und knüpfte mit Gastspielen in London, Paris, München an ihre einstigen grandiosen Erfolge an, wobei sie nun auch dramat. Partien wie Vincenzo Bellinis Norma in ihr Repertoire aufnahm. Eine Amerika-Tournee (1853) führte sie schließl. auch nach Mexiko, wo sie an der Cholera erkrankte und starb. S. ist als Inkarnation der Biedermeier-Sängerin, die auf das Kunstleben ihrer Epoche von starkem Einfluß war und von bedeutenden Zeitgenossen wie Goethe bewundert wurde, in die Kulturgeschichte eingegangen.