Spiegel Ludwig, Jurist. Geb. Reichenau an der Kněžna, Böhmen (Rychnov nad Kněžnou, Tschechien), 31. 3. 1864; gest. Mariánské Lázně, Tschechoslowakei (Tschechien), 14. 8. 1926; mos. Sohn eines Anwalts und Notars, Bruder von Emil (s. u.), Vater von Käthe S. (s. d.). S. kam mit seinen Eltern 1868 nach Prag, absolv. 1882 das dt. Staats-Obergymn. in Prag-Neustadt, stud. bis 1886 an der Dt. Univ. Prag Jus (1887 Dr. jur.) und war dann bis 1905 bei der böhm. Finanzprokuratur (zuletzt als Sekr.) beschäftigt. Bes. am österr. Staatsrecht (und den mit diesem verwandten Disziplinen) interessiert, habil. er sich für dieses Fach 1893 mit einer Arbeit über das österr. Notverordnungsrecht; seine Venia wurde 1898 aufgrund seiner Arbeit über die heimatrechtl. Ersitzung auf das Gebiet der Verwaltungslehre und des österr. Verwaltungsrechts ausgedehnt. 1905 ao. Prof. (1910 mit Titel und Charakter eines o. Prof.), wurde er 1911 zum o. Prof. des Staats- und Verwaltungsrechts an der Dt. Univ. Prag ernannt; 1914/15 Dekan, 1926/27 Rektor; 1925 Dr. rer. pol. h. c. der Univ. Bonn. S.s wiss. Stärke lag in der Heranziehung der materiellen Voraussetzungen, die den positiven Rechtsnormen zu Grunde liegen. Da sich das Recht seiner Auffassung nach aus den gesellschaftl. Bedürfnissen heraus entwickelte, war es sein Anliegen, den Zusammenhang mit der Vergangenheit, insbes. dem 18. und beginnenden 19. Jh., zu wahren. Seine Beitrr. zum „Österreichischen Staatswörterbuch“ förderten die Rezeption der einschlägigen tschech. Literatur, v. a. der Arbeiten J. Pražáks (s. d.). S. war Mitorganisator der Deutschen Juristentage in der Tschechoslowakei, ab 1923 aktives Mitgl. in vielen dt. kulturellen Institutionen und Organisationen in Prag, insbes. in der Dt. Ges. der Wiss. und Künste. Als Senator der Nationalversmlg. der Tschechoslowak. Republik (1920–25) gehörte er dem Klub der dt.demokrat. Freiheitspartei an und vertrat in Auseinandersetzung mit Th. Masaryk (s. d.) die Ansprüche der sudetendt. Minderheit. Sein Bruder Emil S. (geb. Prag, Böhmen / Praha, Tschechien, 17. 2. 1869; gest. ebd., 15. 8. 1923), Dr. jur., zunächst Finanzbeamter, dann Privatmann, stand als Schriftsteller unter dem Einfluß des Neukantianers Hermann Cohen. In seinen postum veröff. Ged. setzte er sich mit den vielfältigen Facetten des Judentums seiner Zeit ebenso wie mit Literatur und Kunst sowie – meist in satir.-parodist. Form – dem Juristentum auseinander.