Steger, Heinrich (1854–1929), Rechtsanwalt

Steger Heinrich, Rechtsanwalt. Geb. Wien, 14. 11. 1854; gest. ebd., 7. 12. 1929; mos. Sohn eines Kaufmanns, Bruder von Emil S. (s. d.), ab 1878 verehel. mit Jeanette, geb. Mandl, der Cousine von R. Mandl (s. d.). Nach Absolv. des Akadem. Gymn. in Wien begann S. ab 1872 rechtswiss. Stud. an der dortigen Univ., 1877 Dr. jur. 1883 Hof- und Gerichtsadvokat und ab 1899 in Kanzleigemeinschaft mit seinem Schwiegersohn Alexander Hirsch, war S. über 50 Jahre als Rechtsanwalt tätig. V. a. für seine suggestiv-theatral. Plädoyers bekannt, trat er immer wieder als Verteidiger in spektakulären Prozessen erfolgreich hervor. So erreichte er 1882 beim Prozeß, der auf den Ringtheaterbrand folgte, den Freispruch des Beleuchters August Breithofer, 1900 wurde der Schriftsteller Levetzow (s. d.) aufgrund S.s Verteidigung vom Vorwurf der Homophilie freigesprochen. Selbst Vater eines der Opfer, war S. 1905–06 Anwalt in einem aufsehenerregenden Päderasten-Prozeß gegen den Wr. Univ.Prof. Theodor Beer, wobei er von Karl Kraus (s. d.) wegen seiner Methoden heftig kritisiert wurde. Noch 1927 konnte S. im Mordprozeß gegen Nelly Grosavescu, die ihren Gatten, den Opernsänger Trajan Grosavescu, getötet hatte, einen Schuldspruch verhindern, was in der Bevölkerung große Empörung hervorrief. 1919 wurde gegen S. ein Disziplinarverfahren seitens der Advokatenkammer angestrengt, da er gegen die während des Kriegs als Militärrichter verwendeten Anwälte den Vorwurf erhob, Urteile auf Befehl gefällt zu haben. Als Musikkenner und ausgez. Pianist wurde S. 1897 Dion.mitgl. der Ges. der Musikfreunde in Wien und war bes. als Obmann der Konzertsektion tätig, trat aber auch selbst mit Musikrezensionen hervor. S. war Mitbesitzer der Wien-Jedlesee Margarin-Werke Steger & Co. (Markenname „Juno“).

W.: Plaidoyer des Vertheidigers Dr. H. S. für den Maschinenführer W. Trnka im Processe über die Mödlinger Eisenbahn-Katastrophe, 1886; etc.
L.: WZ, 8. 12. 1929; Jb. der Wr. Ges.; K. Kraus, Sittlichkeit und Kriminalität (= Ausgewählte Schriften 1), 1908, S. 53ff., 186f.; R. v. Perger – R. Hirschfeld, Geschichte der k. k. Ges. der Musikfreunde in Wien, 1912, S. 234f., 237, 249, 270f., 278, 282; Dt.österr. Anwalts-Ztg. 1, 1919, Nr. 6/7, S. 60ff.; H. Kraszna, Advokatenporträts, 1920, S. 126ff.; Ges. der Musikfreunde. Jahresber. der Dion. für das 118. Ver.jahr …, 1930, S. 3, 8f., 50, 70f.; C. Lafite – H. Kraus, Geschichte der k. k. Ges. der Musikfreunde in Wien …, 1937, S. 54f., Beilage S. 8 (m. B.); E. Jahoda, in: Österr. Anwaltsbl. 52, 1990, S. 76ff. (m. B.); Die wiss. Welt von gestern, ed. R. W. Soukup (= Beitr. zur Wiss.geschichte und Wiss.forschung 4), 2004, s. Reg.; Ges. der Musikfreunde in Wien, IKG, Rechtsanwaltskammer Wien, UA, WStLA, alle Wien; Mitt. Peter M. Braunwarth, Wien.
(M. Martischnig)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 60, 2008), S. 138f.
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