Steiner, Melchior (II.) von (1762–1837), Großhändler, Fabrikant und Bankier

Steiner Melchior (II.) von, Großhändler, Fabrikant und Bankier. Geb. Winterthur (Schweiz), 21. 11. 1762 (Taufdatum); gest. Wien, 8. 3. 1837; evang. HB. Aus einer vermögenden und angesehenen Winterthurer Handels- und Industriellenfamilie stammend, Neffe von Melchior S. (I.) (geb. Winterthur, 16. 6. 1730 [Taufdatum]; gest. Wien, 16. 5. 1786; evang. HB), der aufgrund verwandtschaftl. Beziehungen nach Wien gekommen war und hier 1780 eine eigene Fa. gegr. hatte. Melchior S. (I.) machte sich um die österr. Wirtschaft einerseits durch Errichtung einer Säbel- und Klingenfabrik, eines Kupferhammers und einer Fabrik für die Erzeugung von Schmalte (Blaufarben) im nö. Pottenstein verdient, vermittelte anderseits holländ. Anleihen für die Regierung und baute den Quecksilberexport aus. Da er kinderlos war, ließ er seinen Neffen, Melchior S. (II.), nach Wien kommen, der ihn an Initiative und wirtschaftl. Erfolg noch überflügeln sollte. S. heiratete nach dem Tod des Onkels dessen Witwe und Erbin, Maria Josepha, geb. Eckhel (1745–1812), übernahm sein Handlungshaus und seine Ind.betriebe und konnte zunächst expandieren. Die Kriege gegen Frankreich brachten schwere Rückschläge in der Kupferverarbeitung, jedoch erhielt S. ab 1797 vom Ärar Aufträge zur Herstellung von sog. Münzplätteln, dem Rohmaterial für die Münzprägung, sowie 1798 die Großhandlungsbefugnis. Zur finanziellen Absicherung seiner Pläne gründete er das Bankhaus S. & Co. und verschaffte 1809 gem. mit anderen Wr. Banken dem Staat größere Geldsummen aus dem Ausland zur Verpflegung der Truppen und zur raschen Beschaffung der Kontributionen, wodurch der vorzeitige Abzug der französ. Besatzung aus Wien erreicht werden konnte. Auch vermittelte er engl. Subsidiengelder für den Widerstand in Tirol. 1817 wurde S. Dir. der 1816 tw. aufgrund seiner Pläne gegr. Oesterr. Nationalbank, deren Leitungsgremium er lange Zeit – zuletzt 1825–30 als Gouverneur – angehörte. 1828 erhielt S. die Landesbefugnis zur Fabrikation von Metallwaren und Maschinen in Pottenstein, 1832 erweiterte er den Pottensteiner Betrieb um ein Walz- und Streckwerk zur Erzeugung von (Spinn-)Maschinen und Drähten aller Art. S. war auch Verwaltungsrat der Papierfabrik in Klein-Neusiedl und gehörte dem Vorsteherkollegium der evang. Gmd. HB in Wien an. 1811 wurde er, auch in Würdigung der Leistungen seines Onkels, in den Ritterstand erhoben. Nach seinem Tod wurde die Fa. 1841 liquidiert.

L. (häufig auch zu Melchior S. [I.]): Neues Winterthurer Tagbl., 9. 11. 1953; Slokar; Wurzbach; Ber. über die erste allg. österr. Gewerbsprodukten-Ausst. … 1835, (1835); L. Weisz, Die wirtschaftl. Gegensätze zwischen Zürich und Winterthur vor der Entstehung der Fabrikind. (= Orell Füsslis He. zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1), 1929; H. Matis, Die Manufaktur und frühe Fabrik im Viertel unter dem Wr. Wald, phil. Diss. Wien, 1964, S. 334, 348; H. L. Mikoletzky, in: Österr. und Europa, 1965, S. 160ff.; S. Pressburger, Oesterr. Notenbank 1816–1966, 1966, S. 35ff.; 900 Jahre Pottenstein, (1974), S. 219, 221ff., 234ff. (m. B.); Die evang. Gmd. H. B. in Wien, ed. P. Karner (= Forschungen und Beitrr. zur Wr. Stadtgeschichte 16), 1986, s. Reg.; H. Matis, Die Schwarzenberg-Bank (= Sbb. Wien, phil.-hist. Kl. 731), 2005, s. Reg.; AVA, Materialiensmlg. ÖBL, WStLA, alle Wien; Mitt. Alfred Bütikofer, Winterthur, Schweiz.
(J. Mentschl)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 60, 2008), S. 176
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