Stiepel, Wilhelm Friedrich Johann von (1854–1941), Drucker und Verleger

Stiepel Wilhelm Friedrich Johann von, Drucker und Verleger. Geb. Prag, Böhmen (Praha, Tschechien), 24. 3. 1854; gest. Reichenberg, Dt. Reich (Liberec, Tschechien), 3. 7. 1941. Sohn von Heinrich Tugendhold (s. d.), Bruder von Heinrich Wilhelm S. (geb. Reichenberg, 27. 5. 1860; gest. ebd. ?, 24. 5. 1915), Vater von Willi v. S. – S. wuchs bei Verwandten in Bochum auf, besuchte dort das Progymn. und absolv. seine Lehrzeit in der väterl. Druckerei in Reichenberg und in Leipzig. Nach einem Praxisjahr in Hannover trat er 1877 in die Fa. Gebrüder S. ein. Er unternahm Stud.reisen nach Frankreich, England und in die USA, wurde 1881 öff. Ges. und nach dem Tod des Vaters 1886 Alleininhaber des Unternehmens. Während seiner langjährigen Leitung vergrößerte S. den Betrieb wesentl. und stattete ihn mit den modernsten Maschinen aus. So führte er 1898 als erster privater Drucker in der Monarchie Linotype-Setzmaschinen ein, die er zunächst aus den USA bezog. Auf der Dt.böhm. Ausst. in Reichenberg 1906 war die Fa. mit einem eigenen Pavillon vertreten, in dem die „Reichenberger Zeitung“ auf einer 32-seitigen Rotationsmaschine gedruckt wurde. 1929 wurde eine 64-seitige Rotationsmaschine angeschafft. Zu dieser Zeit zählte der Betrieb mehr als 700 Mitarb. und umfaßte u. a. die Bereiche Hand- und Maschinensatz, Buch- und Kunstdruck, Lithographie, Offsetdruck, Buchbinderei, Prägerei, Schriftgießerei, Kartonagenerzeugung, Fahrscheindruck, Geschäftsbücher- und Musterkartenfabrik sowie eine Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung und die 1925 gegr. Kofferfabrik Globus, die tägl. bis zu 1.000 Koffer erzeugte. In der Offizin der Fa. wurden über 30 Ztg. und Z. hergestellt. Eine Besonderheit war der Fremdsprachensatz, der auch oriental. Sprachen umfaßte. Im 1919 gegr. Verlag Gebrüder S. erschienen Reihen wie „Bücher der Deutschen“ und „Böhmerland-Drucke“, aber auch die „Bibliothek des Kaufmannes“ und „Stiepels Gesetz-Sammlung des Tschecho-slowakischen Staates“, jurist. Lehrbücher, Adreßbücher, Lexika, Atlanten, Schul- und Bilderbücher sowie Z. KR S. war Mitgl. der HGK Reichenberg, Zensor der Oesterr.-ung. Bank und Mitgl. zahlreicher wirtschaftl., sozialpolit. und kultureller Vereinigungen. Er wurde u. a. 1906 mit dem Orden der Eisernen Krone III. Kl. ausgez. und 1918 nob. Sein Bruder Heinrich Wilhelm S. war ab 1910 Prokurist der Fa. Nach S.s Tod leitete Willi v. S. das Unternehmen bis zur Enteignung 1945.

L.: Reichenberger Ztg., 25. 5. 1915 (für Heinrich Wilhelm S.); WZ, 24. 7. 1918; Großind. Österr. I/6, S. 155f.; F. Krawany, Geschichte der Papierind. der ehemaligen österr.-ung. Monarchie, 1923, S. 152; 75 Jahre Reichenberger Ztg., 1935, bes. S. 6f. (m. B.); Köpfe der Politik ... Tschechoslowak. Republik, 1936 (m. B.); O. Hübner, in: Reichenberg, 1974, S. 206ff.; W. Menzel, in: Jeschken-Iser-Jb. 21, 1977, S. 91ff.; Mitt. des Sudetendt. Archivs, F. 104, 1991, S. 71f.; AVA, Wien.
(E. Offenthaler)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 255
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