Stiger, Joseph Leopold (1816–1880), Publizist und Jurist

Stiger Joseph Leopold, Publizist und Jurist. Geb. Graz (Stmk.), 15. 2. 1816; gest. Zürich (Schweiz), 20. 1. 1880. Sohn von Johann Ev. S. (s. d.). – S. stud. 1834–39 an der Univ. Graz Jus und war ab 1839 als Auditoriatspraktikant tätig. Nach den Märzereignissen 1848 beteiligte er sich in vorderster Reihe am polit. Leben. Popularität erlangten seine Kommentare zum Zeitgeschehen, die er als „Briefe des kropfigen steirischen Jakels“ von April bis Juni 1848 veröff. Im Juli gründete er den Grazer Demokrat. Ver., dem er als Obmann vorstand. S. unterzeichnete Aufrufe an die Steirer, dem revolutionären Wien zu Hilfe zu kommen, und begab sich selbst im Oktober 1848 mit einem steir. Hilfskorps und anderen Grazer Revolutionsführern, wie V. B. v. Emperger (s. d.), dorthin. Nach dem Fall Wiens floh er zunächst in die Schweiz und wurde wenig später von einem österr. Militärgericht in Abwesenheit zu 10jährigem schweren Kerker verurteilt. 1851 wanderte er in die USA aus, wo er die im väterl. Haus erworbenen ärztl. Kenntnisse erweiterte und ab 1854 in Buffalo, N. Y., praktizierte. S. trat bereits in Amerika als Kommentator des dortigen polit. Lebens hervor und sprach sich vehement gegen die Sklaverei aus. Er gab in Cleveland, Ohio, die MS „Der Kommunist“ (1852) heraus und eröffnete ein Political Literary Inst. Carl Wittke zählt ihn zu den „exponents of utopia“. Nach 10jährigem Aufenthalt in den USA kehrte S. in die Schweiz zurück, durfte jedoch erst 1865 wieder nach Graz zurückkommen, wo er sich Ende der 60er Jahre in der dt.kath. Bewegung engagierte. Daneben warb S. mit seinen fast durchwegs im Selbstverlag erschienenen Publ. für die Politik der Nordstaaten im amerikan. Bürgerkrieg. Seine Broschüre „Nieder mit der Sklaverei“ (1864) widmete er Harriet Beecher-Stowe, der Verf. von „Onkel Toms Hütte“; 1872 korr. er mit Kudlich (s. d.). S. zeichnete sich durch soziales Engagement aus und trat v. a. für Frauenrechte ein. Vom dt. Element in den USA erwartete er, typ. für die national-demokrat. Traditionen von 1848, eine moral. Stärkung der amerikan. Bevölkerung. Seinen Lebensabend verbrachte S. in Zürich.

Weitere W.: Zehn Jahre in Amerika, Tl. 1: Abschied vom Vaterland, 1863; Die Rechtfertigung der Nordstaaten in dem jetzigen Kampfe mit den Südstaaten der amerikan. Union, 1864; etc.
L.: Wurzbach (s. u. Joseph Valentin S.); O. Meister, in: Z. des dt. Ver. für die Geschichte Mährens und Schlesiens 34, 1932, S. 63ff.; ders., in: Z. des Hist. Ver. für Stmk. 27, 1933, S. 152ff.; C. Wittke, Refugees of Revolution. The German Forty-Eighters in America, 1952, S. 171; G. Cerwinka, in: Bll. für Heimatkde. 72, 1998, S. 90ff. (m. B.); UA, Graz, Stmk.
(G. Cerwinka)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 261f.
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