Stöckler, Josef (1866–1936), Politiker und Landwirt

Stöckler Josef, Politiker und Landwirt. Geb. St. Valentin (NÖ), 8. 6. 1866; gest. Wien, 9. 12. 1936; röm.-kath. Bäuerl. Herkunft. – S. besuchte die sechsklassige Volksschule in seiner Heimatstadt. Bereits 1882 mußte er die Leitung der väterl. Wirtschaft in St. Valentin übernehmen, die 1896 in seinen Besitz überging. 1894 im Gmd.ausschuß von St. Valentin, begann er sich i. d. F. in vielfältiger Weise für bäuerl. Interessen zu engagieren: 1906–08 Vizepräs. des neugegr. Landeskulturrats sowie Obmann des Bauernver. für das Viertel ober dem Wienerwald, gehörte er 1906 zu den Mitbegründern des Nö. Bauerbunds, den er bis 1927 als Obmann leitete. Schon 1903 war S. Gründer und Obmann der Molkereigenossenschaft St. Valentin sowie Vorstandsmitgl. der Nö. landwirtschaftl. Genossenschafts-Zentralkasse. Er war ferner 1902–08 nö. LT-Abg. für die CSP, fungierte 1908–18 als Landesausschuß für NÖ und war ab 1907 RR-Abg. Nach dem Ende der Monarchie Mitgl. der Provisor. und der Konstitutionellen Nationalversmlg., leitete S. in dieser schwierigen Umbruchphase ab 1918 auch das Staatsamt für Landwirtschaft (ab 1919 Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft). Aufgrund des Wegfalls der ung. Agrargebiete mußte S. Maßnahmen gegen die Unterversorgung der österr. Bevölkerung treffen und i. d. F. die Restrukturierung der Landwirtschaft in Angriff nehmen. Neben dem Ausbau des Genossenschaftswesens fand eine Neuordnung der Agrarbehörden statt, ferner wurde agrar. Eigentum durch das Grundverkehrsgesetz der Spekulation entzogen. Außerdem sicherte S. den Erhalt der Span. Reitschule, indem er diese in sein Ressort ziehen konnte. Ende Juni 1919 war S. einer der Anführer der großen Bauerndemonstration, die sich gegen die Gefahr einer Rätediktatur richtete, und im November 1919 Mitbegründer des Reichsbauernbunds, dessen Obmann er 1919–26 war. 1920–27 war S. Abg. zum Nationalrat und Obmannstellv. des christl.sozialen Klubs sowie 1927–34 Mitgl. des Bundesrats, in dem er 1930–31 den Vorsitz führte. Auch im Genossenschaftswesen hatte S. einflußreiche Positionen inne, etwa als Obmann der Nö. Molkerei (1912–36). Seinen eigenen Betrieb konnte er 1919 durch die Errichtung eines Sägewerks in St. Valentin, der „Stöcklersäge“, ausbauen. U. a. wurde er 1913 mit dem Orden der Eisernen Krone III. Kl. ausgez.

L.: RP, 10., Der Bauernbündler, 12. 12. 1936; Freund, 1911 (m. B.); 100 Jahre Landwirtschaftsmin., 1967, S. 89ff. (m. B.); Ch. Demuth – Th. Kraus, Bauern im Aufbruch, 1996, s. Reg. und S. 235 (m. B.); E. Bruckmüller u. a., Geschichte der österr. Land- und Forstwirtschaft im 20. Jh., 2002, s. Reg. (m. B.); E. Lebensaft – Ch. Mentschl, Feudalherren – Bauern – Funktionäre, 2003 (m. L.); O. Krause, Biograph. Hdb. des NÖ LT 1861–1921, 2005; WStLA, Wien.
(E. Lebensaft – Ch. Mentschl)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 285f.
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