Stölzle, Carl Anton (1802–1865), Industrieller

Stölzle Carl Anton, Industrieller. Geb. Granitz, Böhmen (Hranice, Tschechien), 19. 9. 1802; gest. Nagelberg (Altnagelberg, NÖ), 28. 3. 1865; röm.-kath. Sohn eines Försters, Vater von Rudolf S. (s. d.). – Nach einschlägiger Ausbildung war S. als Vermessungskoär. in NÖ und der Stmk. tätig, zuletzt als Schatzkoär. beim Kataster. 1830 ehel. er eine Gutsbesitzerstochter, erbte nach deren frühem Tod ein beträchtl. Vermögen und stud. kurze Zeit am Wr. polytechn. Inst. Chemie. 1835 pachtete er von der Herrschaft Weitra die Glashütten Joachimst(h)al und Schwarzau mit einem Hohlglas- und einem Tafelglasschmelzofen, bei denen 84 Arbeiter und vier Angestellte beschäftigt waren, und gründete die Fa. S., wobei ihm die eben erfolgte Befreiung der Glaserzeugung von allen Zunftbeschränkungen zugute kam. Erstmals bei der Gewerbsproduktenausst. in Wien 1839 konnte die Fa. ihre hochwertigen Produkte aus weißem oder farbigem Stein- oder Kristallglas, emailliert oder geschliffen mit verschiedenartigen Verzierungen, mit Erfolg öff. präsentieren. S. nützte die damals einsetzende gesteigerte Nachfrage nach Glaswaren, pachtete (ab 1846) und kaufte (1858) die Glashütten Alt- und Neunagelberg sowie die angeschlossene Landwirtschaft. Außerdem erwarb S., der um Expansion des Unternehmens durch Pacht oder Kauf neuer Betriebe stetig bemüht war, u. a. die Glashütte in Suchenthal (Suchdol nad Lužnicí), während der Pachtvertrag für die Hütten in Joachimst(h)al und Schwarzau 1850 gekündigt wurde. In Wien-Wieden unterhielt die Fa. eine Niederlage für den Warenvertrieb. Wegen des steigenden Bedarfs an Bau- und Möbelholz und der daraus resultierenden Holzknappheit ließ S. Brennstoff aus Torf herstellen. S., der in seinem Unternehmen die Umstellung von traditioneller Waldglashütte zur Glasfabrik vollzog, erzeugte geblasenes Glas, aber auch das billigere Preßglas, grünes und weißes Tafelglas sowie Hohl-, Schleif- und Kreidenglas. Die Absatzgebiete reichten weit über die Donaumonarchie hinaus nach Italien, Rußland und Persien. S. förderte auch die Fabriksschule, eine Grundschule für Arbeiterkinder. Daneben in polit. Gremien tätig, war er Gmd.rat in Harman(n)schlag, 1861–65 Abg. zum nö. LT, 1861–63 zum RR.

L.: Die Presse, 30. (A.), 31. 3. 1865; Großind. Österr. I/2, S. 195f.; A. Pürgy, in: Das Waldviertel 5, 1932, S. 90, 95f., 98ff.; U. Schindl, in: Brand-Nagelberg, ed. F. Haller, (1967), S. 78; O. K. M. Zaubek, in: 100 Jahre öff. Volksschule Altnagelberg, 1985, S. 15ff.; A. Gratzl, 150 Jahre S.-Glas, (1985), bes. S. 49ff. (m. B.); F. Mathis, Big Business in Österr. 1–2, 1987–90, s. Reg.; A. Komlosy, An den Rand gedrängt. Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Oberen Waldviertels, 1988, S. 82f.; J. Gattringer, Stud. zur Geschichte Waldviertler Glashütten …, phil. Diss. Wien, 1988, S. 167ff.; O. Krause, Biograph. Hdb. des NÖ LT 1861–1921, 2005; TU, Materialiensmlg. ÖBL, beide Wien.
(J. Mentschl)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 295
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