Storfer, Adolf Joseph (Albert) (1888–1944), Journalist, Etymologe und Psychoanalytiker

Storfer Adolf Joseph (ab 1938 Albert), Journalist, Etymologe und Psychoanalytiker. Geb. Botoschan (Botoşani, Rumänien), 11. 1. 1888; gest. Melbourne (Australien), 2. 12. 1944; bis 1933 mos. Sohn eines Holzhändlers. – S. besuchte, gem. mit Béla Kun, das Gymn. in Klausenburg (Cluj-Napoca) und red. bereits damals ein sozialist. Wochenbl. Danach stud. er 1907 an der Univ. Klausenburg Phil., Psychol. und vergleichende Sprachwiss., bis Frühjahr 1908 an der Univ. Zürich, im Sommersemester an der Univ. Wien Rechts- und Staatswiss., ab September 1908 wieder in Zürich. Nach einem Selbstmordversuch 1909 wurde er von C. G. Jung in der psychiatr. Anstalt „Burghölzli“ behandelt, brach 1911 das Stud. ab und begann seine journalist. Tätigkeit beim Züricher „Tages-Anzeiger“. 1910 lernte er Freud (s. d.) kennen, wandte sich der Psychoanalyse zu und veröff. bereits 1911 seine erste diesbezügl. Arbeit, „Zur Sonderstellung des Vatermordes“ (Nachdruck 1970). 1913 übersiedelte S. nach Budapest, intensivierte den Kontakt zu Freud und zur Wr. Psychoanalyt. Vereinigung und arbeitete ab diesem Jahr auch für die „Frankfurter Zeitung“. Ab 1914 Freiwilliger in der österr.-ung. Armee, wurde er 1916 schwer verwundet, knapp vor Kriegsende jedoch wieder eingezogen. 1919 unterstützte er die ung. Räterepublik und mußte nach deren Zerschlagung nach Wien fliehen. Hier wurde er – bereits Mitgl. der Ung. Psychoanalyt. Vereinigung – 1919 auch o. Mitgl. der Wr. Psychoanalyt. Vereinigung sowie Teilnehmer der Mittwoch-Ges. und nahm seine journalist. Tätigkeit für die „Frankfurter Zeitung“ und andere, v. a. linksliberale Ztg. wieder auf. I. d. F. wurde S. Mitgl. verschiedener literar. Zirkel und war u. a. mit Alfred Polgar, Anton Kuh, R. v. Musil (s. d.), Hermann Broch und Milan Dubrovic befreundet; in der Psychoanalyt. Gmd. arbeitete er u. a. mit Paul Federn, Siegfried Bernfeld sowie Richard und Editha Sterba zusammen. Ab 1921 Mitarb. O. Ranks (s. d.) im Internationalen Psychoanalyt. Verlag in Berlin, bewirkte S. dessen Verlegung nach Wien und fungierte ab 1925 als Geschäftsführer des Verlags, in den er auch eigene finanzielle Mittel einbrachte. Infolge der Wirtschaftskrise geriet das Unternehmen in Schwierigkeiten, und 1932 trat S. auf Betreiben Freuds als Verlagsleiter zurück. I. d. F. widmete er sich bis 1938 vorwiegend sprachwiss. Stud.: Seine beiden Hauptwerke, die etymolog. Wörterbücher „Wörter und Schicksale“ (1935) und „Im Dickicht der Sprache“ (1937), wurden mehrfach nachgedruckt. Nachdem ein Versuch, über die Schweiz in die USA zu gelangen, gescheitert war, ging S. Ende 1938 nach Shanghai, wo er bis Dezember 1941 lebte. Zunächst als Dt.lehrer tätig, gab er ab Mai 1939 eine Z. für dt.sprachige Emigranten, die „Gelbe Post“, heraus, für die er auch selbst Beitrr. verf. Trotz finanzieller Unterstützung durch Bettina Warburg mußte er im August 1940 wegen finanzieller Probleme die zuletzt tägl. erscheinende Ztg. an seinen Konkurrenten Ossi Lewin verkaufen und fungierte bis zur gänzl. Besetzung Shanghais durch die Japaner als Red. für die Programmz. des lokalen brit. Rundfunksenders XGDN. Danach flüchtete er vor der japan. Armee nach Australien und ließ sich in Melbourne nieder, wo er in einem Sägewerk tätig war und völlig vereinsamt starb.

Weitere W.: Marias jungfräul. Mutterschaft, 1914; Beitrr. in Schriften zur angewandten Seelenkde., Zentralbl. für Psychoanalyse und Psychotherapie, Die psychoanalyt. Bewegung, etc. – Ed.: S. Freud, Gesammelte Schriften, 12 Bde., 1924–34 (gem. m. A. Freud); Imago, 1924ff.; Almanach der Psychoanalyse, 1926ff.; Die psychoanalyt. Bewegung, 1929–33; Z. psychoanalyt. Pädagogik, 1931–32; etc.
L.: Bolbecher–Kaiser; Hdb. der Emigration 2; M. Dubrovic, Veruntreute Geschichte, 1985, S. 106ff.; W. Seywald, Journalisten im Shanghaier Exil 1939–49, 1987, s. Reg.; I. Scholz-Strasser, in: China-Report 107f., 1989/90, S. 27ff. (m. L.); dies., in: Aus dem Kreis um S. Freud, ed. E. Federn – G. Wittenberger, 1992, S. 201ff. (m. L.); E. Mühlleitner, Biograph. Lex. der Psychoanalyse, 1992; F. Kreissler, in: Phil., Psychoanalyse, Emigration, ed. P. Muhr u. a., 1992, S. 180ff.; I. Scholz-Strasser, in: Internationaler Psychoanalyt. Verlag 1919–38, Wien 1995, S. 57ff. (Kat., m. B.); P. Rosdy, in: Gelbe Post, Nachdruck 1999, Anhang S. 1ff. (m. B.); A. Polgar, in: A. J. S., Wörter und ihre Schicksale, Neuaufl. 2000, S. 9f.; J. F. Danckwardt, ebd., S. 11ff.; Der Analytiker im Kino, ed. K. Sierek – B. Eppensteiner, 2000; IKG, UA, beide Wien; UA, Zürich, Schweiz.
(Th. Venus)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 328f.
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