Stremayr, Karl von (1823–1904), Jurist und Politiker

Stremayr Karl von, Jurist und Politiker. Geb. Graz (Stmk.), 30. 10. 1823; gest. Pottschach (NÖ), 22. 6. 1904. Sohn eines Beamten der Feldapothekenverwaltung. – S. besuchte das Gymn. in Graz und stud. an der dortigen Univ. Jus; 1846 Dr. jur. Ab 1846 stand er im Dienst der stmk. Kammerprokuratur, daneben arbeitete er auf eine Professur für röm. Recht hin. 1848/49 Mitgl. der Frankfurter Nationalversmlg., schloß er sich dem „Württemberger Hof“ des linken Zentrums an. Nach seiner Rückkehr war er als Landesgerichtssekr. und Staatsanwaltssubstitut in Graz tätig, weiters suppl. er 1849/50 die Lehrkanzel für röm. und kanon. Recht an der Univ. Graz; 1860 Habil. für röm. Recht; 1864 LGR. S. arbeitete auch unter Ps. als Red. der „Grazer Zeitung“. Liberal orientiert, wandte er sich erneut der Politik zu, war ab 1861 Abg. des stmk. LT und Mitgl. des Landesausschusses und wurde 1868 von Giskra (s. d.) als Min.rat in das Min. des Inneren berufen. 1869 Abg. zum RR; 1870/71 und 1871–80 Minister für Cultus und Unterricht unter Adolf Fürst Auersperg (s. d.). S. erwarb sich durch eine neue jurist. Rigorosenordnung (1872) sowie ein Gesetz über die Organisation der akadem. Behörden (1873) große Verdienste um die Liberalisierung des Hochschulwesens. 1874 führte er auch die kirchenpolit. Reformgesetzgebung (Maigesetze) durch. 1875 erfolgte die Gründung der Univ. Czernowitz; auch die Initiative zum Neubau der Univ. Graz ist in hohem Maße sein Verdienst. Nach dem Rücktritt Auerspergs leitete S. 1879 als Vors. den Ministerrat, ehe er 1879/80 als Justiz- und Unterrichtsminister dem Kabinett Taaffe angehörte. Im April 1880 ergingen, getrennt für Böhmen und Mähren, die sog. Taaffe-S.schen Sprachenverordnungen, wonach die Sprache des Antragstellers im Behördenverkehr für die Erledigung maßgebl. sein sollte, was Widerstand unter der dt.sprachigen Bevölkerung hervorrief. Danach 2. Präs. des Obersten Gerichtshofs, war S. 1891–99 dessen Präs. sowie ab 1889 Mitgl. des HH. Ab 1894 war S. auch Kuratorstellv. und Ehrenmitgl. der Akad. der Wiss. in Wien.

W.: Die Landesvertretung von Stmk. Ein Ber. über ihre Thätigkeit in der Landtagsperiode 1861–66, 1867, 2. Aufl. 1878; Erinnerungen aus dem Leben, 1899.
L.: NFP, 30. 10. 1903, 23. 6. 1904; Almanach Wien 55, 1905, S. 265, 274; Biograph. Jb. 9, 1906, S. 510ff.; Wurzbach; K. Ebert, in: ZRG. Germanist. Abt. 87, 1970, S. 261; F. v. Krones, Geschichte der Karl-Franzens-Univ. in Graz, 1886, S. 174, 184; Jurist. Bll. 33, 1904, S. 304; F. Strobl v. Ravelsberg, in: Steir. Z. für Geschichte 2, 1904, S. 97ff.; B. Sutter, Die Baden. Sprachenverordnungen von 1897, 1–2, 1960–65, s. Reg.; G. Wesener, Röm. Recht und Naturrecht, 1978, S. 72f.; W. Höflechner, Die Baumeister des künftigen Glücks, 1988, s. Reg.; Die Frankfurter Nationalversmlg. 1848/49, ed. R. Koch, 1989 (m. B.); W. Brauneder, Lesever. und Rechtskultur, 1992, s. Reg.; O. Urban, Die tschech. Ges. 1848–1918, 1–2, 1994, s. Reg.; M. G. Losano, Der Briefwechsel Iherings mit Unger und Glaser, 1996, s. Reg.; H. Best – W. Weege, Biograph. Hdb. der Abg. der Frankfurter Nationalversmlg. 1848/49, 1996; B. A. Reismann – F. Mittermüller, Geschichte der Stadt Graz, ed. W. Brunner, 4, 2003; W. Höflechner, Geschichte der Karl-Franzens-Univ. Graz, 2. Aufl. 2009, s. Reg. (m. B.); AVA, Wien.
(G. Wesener)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 62, 2010), S. 398f.
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