Szczepanowski, Stanisław Ignacy (1811–1877), Gitarrist, Cellist, Komponist und Offizier

Szczepanowski Stanisław Ignacy, Gitarrist, Cellist, Komponist und Offizier. Geb. Wrocieryż, Hg.tum Warschau (PL), 12. 7. 1811; gest. Lemberg, Galizien (L’viv, UA), 15. oder 16. 9. 1877. Sohn des Nagłowicer Gutsverwalters Wincenty S. und seiner Frau Teofila Odrzywolska, Bruder des Aufständ., Parteifunktionärs und Eisenbahning. Jan Józef Piotr S., Onkel des Großindustriellen Stanisław S.; in 2. Ehe 1845–52 mit der Pianistin Juliana Scott (1825–1906), der Tochter eines Londoner Kaufmanns, verheiratet. – Nach Absolv. des St. Anna-Gymn. in Krakau (Kraków) begann S. 1828 ein Stud. an der phil.-naturwiss. und an der jurid. Fak. der Jagiellonen-Univ., das er infolge des Novemberaufstands jedoch abbrach. Er kämpfte 1831 im poln. Ulanenrgt. 5 u. a. bei Olszynka Grochowska und Dębe Wielkie, ab Mai im IR 9 (1831 Orden Virtuti Militari sowie Lt.) gegen die Russen. Nach Niederschlagung des Aufstands 1832 emigrierte er nach Frankreich und beteiligte sich an den erfolglosen Unternehmungen der Emigranten zur Unterstützung der Aufstände in Frankfurt am Main (1833) und Savoyen (1834). 1834 übersiedelte er nach Edinburgh, wo er sich vom Gitarristen Feliks Horecki ausbilden ließ. Nach seinem Debüt im Londoner Queen’s Concert Room 1839 konzertierte er am Hof Queen Victorias, die ihn zum Hofgitarristen ernannte (die brit. Presse rühmte ihn als „Paganini der Gitarre“), und ab 1840 in ganz Europa. Die meisten Auftritte absolv. er aber in Paris, etwa am Hof Kg. Louis-Philippes und in den Salons französ. und poln. Aristokraten; zudem war er ein häufiger Gast Fürst Adam Jerzy Czartoryskis im Hôtel Lambert und Adam Mickiewicz’, der sein Spiel schätzte. Aus dieser Zeit stammen S.s Variationen über das Thema „Mazurka Dąbrowskiego“ („Introduction et Variations Brillante sur un Air National – Jeszcze Polska nie zginęła“, 2001). 1841 wurde er vom französ. Kritiker Henri Louis Blanchard als bedeutendster Gitarrist seiner Zeit gewürdigt. Während einer Spanientournee 1842 spielte S. u. a. in Madrid und mehrfach vor Kgn. Isabella II., die ihn zum Hofsolisten ernannte. Nach Verleihung der brit. Staatsbürgerschaft 1846 lebte er als Gitarren- und Violoncellolehrer in London, bis er 1848 nach Großpolen ging und während des Aufstands als Hptm. ein Kav.rgt. im Kreis Kosten befehligte. Nach der Niederlage trat er in Warschau, Wilna und St. Petersburg auf und ließ sich im September dieses Jahres für längere Zeit in Krakau nieder, wo er gem. mit seiner Frau konzertierte und Unterricht gab. 1850 spielte er in London, Madrid und Warschau, 1852 in Leipzig und Karlsbad (Karlovy Vary) vor Karl Friedrich Großhg. v. Sachsen-Weimar-Eisenach. 1852–55 führte ihn eine seiner längsten Konzertreisen u. a. nach Kiew, Bukarest, Varna, Konstantinopel (İstanbul), Alexandria und Kairo sowie durch Italien, die Schweiz, Dtld. und Belgien. Damals entstanden auch die Kompositionen „Pamiątka z podróży do Smyrny“, „Ma Normandie“ und „Mazurek sielankowy“. Während des Krimkriegs meldete sich S. zu einem der Kosakenrgt., die auf osman. Seite kämpften, war aber an keinen Gefechten beteiligt. 1856–62 gab er Konzerte in Warschau, in der Prov. sowie in Litauen, fand beim Publikum jedoch nicht mehr die frühere Resonanz. Ab 1866 in Lemberg ansässig, trat er immer seltener auf und verfiel, durch die sinkende Popularität gebrochen, dem Alkohol. S. war neben Horecki, Marek Sokołowski und Jan Nepomucen Bobrowicz einer der bedeutendsten poln. Gitarristen des 19. Jh. Sein Spiel zeichnete sich durch große Gewandtheit und vielfältige Effekte aus (Nachahmung der menschl. Stimme, Echos, Verwendung des andalus. Flamencostils etc.). Er komponierte u. a. rund 30 Werke für Gitarre, von denen einige bei R. Cocks in London verlegt wurden, doch vom Großtl. seiner Kompositionen ist nur der Titel überliefert. Von seinen vier Kindern wurde Władysław Ignacy (Stephen) S. (1847–1936) ebenfalls Musiker. Er war Geiger und Prof. am London College of Music.

Weitere W. (s. auch Enc. Muzyczna): Dawne czasy – polonez na fortepian (als Polonaise „Days of Old“ 2010 aufgenommen); Hymn do Boga; etc.
L.: Gazeta Lwowska, 18. 9. 1877; Dziennik Polski, 19. 9. 1877; Grove, 2001; PSB (m. L.); Wurzbach; J. Bartkowski, Wspomnienie z powstania 1831 i pierwszych lat emigracji, bearb. E. Sawrymowicz, 1966; K. Girtler u. a., Opowiadania 2, 1971; J. Powroźniak, Gitarren-Lex., 1979 (m. B.); ders., Gitara od A do Z, 1989; M. Motty, Przechadzki po mieście, 3. Aufl. 1999; Enc. Muzyczna, 2007 (m. W. u. L.); Mitt. Jan Oberbek, Kraków, PL.
(E. Orman)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 64, 2013), S. 127f.
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