Szemere, Bertalan (1812–1869), Politiker und Jurist

Szemere Bertalan, Politiker und Jurist. Geb. Vatta (H), 27. 8. 1812; gest. Pest (Budapest, H), 18. 1. 1869. Entstammte einer verarmten Adelsfamilie. – S. besuchte 1820–22 das ref. Kolleg in Sárospatak, 1822–26 das evang. Lyzeum in Miskolcz (Miskolc) sowie 1826–27 jenes in Käsmark (Kežmarok). 1827–32 stud. er an der jurist. Akad. in Sárospatak und absolv. anschließend ein Praktikum beim LT von Preßburg; 1834 Advokatenprüfung. Während seiner Tätigkeit im LT und einer Westeuropareise 1836–37 kam er mit den liberalen Ideen seiner Zeit in Kontakt; seine Reiseerlebnisse publ. er 1841 in dem zweibändigen Werk „Utazás külföldön“. Daneben verf. er rechtswiss. Abhh., u. a. „Terve egy építendő fogháznak a magány-rendszer elvei szerint“, 1838, über die Errichtung von Gefängnissen oder „A büntetésről s különösebben a halálbüntetésről“, 1841, in dem er sich mit dem Strafsystem und v. a. mit der Todesstrafe befasste. Ab 1841 wirkte er als Stuhlrichter des Kom. Borsod, ab 1846 als Vizegespan. S. war einer der Anführer der liberalen Reformopposition der ständ. LT 1843–44 und 1847–48. Nach der Märzrevolution war er von April bis September 1848 Innenminister unter →Ludwig Gf. Batthyány und in dieser Funktion v. a. für den Ausbau des ung. Staatsapparats und die Durchführung der ersten Parlamentswahlen verantwortl.; ab September Mitgl. des Landesverteidigungsausschusses. 1849 fungierte er als ung. Ministerpräs. und vorübergehend als Innenminister. Die von ihm geleitete Regierung, die S. selbst als revolutionär, republikan. und demokrat. bezeichnete, bereitete u. a. bedeutende Parlamentsbeschlüsse über die Emanzipation der Juden und zur Gleichberechtigung der Nationalitäten vor. Nach der Niederschlagung der Revolution emigrierte S. zunächst in die Türkei und dann nach Paris. 1851 wurde er in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Da S. Ansprüche auf eine Führungsrolle unter den ung. Emigranten anmeldete, kam es zu scharfen Konflikten zwischen ihm und →Lajos Kossuth v. Udvard u. Kossut, den S. auch mehrfach publizist. angriff, u. a. in „Graf Ludwig Batthyány, Arthur Görgei, Ludvig Kossuth. Politische Charakterskizzen aus dem Ungarischen Freiheitskriege“, 1853. In den 1850er-Jahren führte er einen Briefwechsel mit Karl Marx, den er mit Informationen über Ungarn versorgte. Das Scheitern seiner polit. Vorstellungen sowie große finanzielle Schwierigkeiten belasteten S. psych. schwer. Nach der Amnestie 1865 konnte er zwar nach Ungarn zurückkehren, wurde aber bald darauf in eine Nervenheilanstalt eingeliefert. 1840 k. M. der MTA.

Weitere W.: s. Szinnyei; Markó.
L.: NFP, 20. 1. 1869; Biograph. Lex. Südosteuropas; Szinnyei (m. W.); Magyar szónokok és statusférfiak, ed. A. Csengery, 1851, S. 61ff.; B. Horvát, in: Akad. Évkönyv 14, 1875, H. 6, S. 17ff.; E. Kiss, S. B., 1912; S. Maller, in: Századok 90, 1956, S. 667ff.; S. B. és kora 1–2, ed. J. Ruszoly, 1991; R. Hermann, S. B., 1998; Az 1848–49. évi első népképviseleti országgyűlés történeti almanachja, ed. B. Pálmány, 2002; T. Frank, Ein Diener seiner Herren. Werdegang des österr. Geheimagenten G. Zerffi, 2002, s. Reg., bes. S. 86ff.; L. Markó u. a., A MTA tagjai 1825–2002, 3, 2003 (m. B. u. W.).
(Z. Fónagy)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 64, 2013), S. 138f.
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