Szende, Pál (Paul); bis 1896 Schwarz (1879–1934), Politiker und Soziologe

Szende Pál (Paul), bis 1896 Schwarz, Politiker und Soziologe. Geb. Nyírbátor (H), 7. 2. 1879; gest. Seini (RO), 15. 7. 1934. Entstammte einer jüd. Familie. – Nach der Schulausbildung in Nyírbátor und Nyíregyháza stud. S. ab 1896 in Budapest, prom. 1900 in Staatswiss., 1902 in Rechtswiss. und wurde 1904 Advokat. 1908–18 fungierte er als Sekr. bzw. Gen.sekr. der Ung. Handelsvereinigung (Országos Magyar Kereskedelmi Egyesülés) und als Red. des Ver.bl. 1905 trat er der von liberalen Intellektuellen ins Leben gerufenen Ges. für Sozialwiss. (Társadalomtudományi Társaság) bei, wirkte als Mitarb. bzw. Mithrsg. der soziolog. Z. „Huszadik Század“ und gründete 1914 gem. mit Oszkár Jászi die Bürgerl.-Radikale Partei (Polgári Radikális Párt). 1914–15 diente er an der Ostfront. Während der sog. Asternrevolution 1918–19 amtierte S. zunächst als Staatssekr. im Finanzmin., dann als Finanzminister. Nach der Ausrufung der Räterepublik ging er nach Wien, knüpfte 1920 Kontakte zur „Wiener Internationale“, wurde Mitgl. der SDAP und war freundschaftl. u. a. mit →Karl Renner verbunden. In der Emigration trat S. nicht nur als Publizist der „Arbeiter-Zeitung“, der in Wien hrsg. ung. Tagesztg. „Bécsi Magyar Újság“ sowie der „Leipziger Volkszeitung“ in Erscheinung, sondern auch als wirkungsmächtiger Theoretiker der Sozialdemokratie, der in Wien und ab 1925 ebenso am Pariser Collège libre de sciences sociales Vorträge hielt und sich aktiv an den Arbeiten der Französ. Liga für Menschenrechte beteiligte. Während sich S. in seinen ersten, in Ungarn verf. Schriften u. a. mit der für die Anbahnung des Demokratisierungsprozesses sowie für die Gleichberechtigung der Arbeiterkl. unerlässl. gewordenen Agrar- und Steuerreform auseinandersetzte („Önálló vámterület és osztályharc“, 1907; „Adóreform és osztálytagozódás“, 1913), rückten in den Jahren der Emigration phil.-soziolog. Fragestellungen der Zeit ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit. In seinem Hauptwerk „Verhüllung und Enthüllung. Der Kampf der Ideologien in der Geschichte“ (1922) stellte er Letztere als geistiges Kräftemessen zweier entgegengesetzter, die herrschende autoritäre Ges.ordnung bewahrenden bzw. deren Aufrechterhaltung bekämpfenden ideolog. Strömungen dar. Nach der Niederlage der Sozialdemokratie im Februar 1934 ging S. in die Tschechoslowakei, starb jedoch bald während eines Urlaubs in Rumänien. Er war Mitgl. der Freimaurerlogen Demokratia (1907–08) und Martinovics (ab 1908) in Budapest.

Weitere W. (s. auch Gyurgyák, 1985; Szabó; Új magyar életrajzi lex.): Die Krise der mitteleurop. Revolution ..., in: Archiv für Sozialwiss. und Sozialpolitik 47, 1920–21; Bergson, der Metaphysiker der Gegenrevolution, in: Die Gesellschaft 7, 1930; Mystik, 1936.
L.: Enc. Jud.; Jb. der Wr. Ges.; M. Zsidó Lex.; Szinnyei; Universal Jew. Enc.; Z. Horváth, in: ders., Irodalom és történelem, 1968, S. 19ff.; F. Guttman, in: Demaskierung, 1970, S. 7ff.; E. Lederer, Die Geschichtsauffassung der bürgerl. Radikalen. Die hist. Schriften von P. S., 1975; Internationales Soziologenlex. 1, 1980; J. Gyurgyák, S. P., 1985 (m. W. u. L.); G. Szabó, S. P. élete és munkássága, 1986 (m. W. u. L.); L. Congdon, Exile and Social Thought, 1991, s. Reg.; Magyar emigráns irodalom lex., 2000; J. Gyurgyák, A zsidókérdés Magyarországon, 2001, s. Reg.; J. Bölöny – L. Hubay, Magyarország kormányai 1848–2004, 5. erweiterte Ausg., 2004, s. Reg.; Új magyar életrajzi lex. 6, 2007 (m. B., W. u. L.).
(Á. Z. Bernád)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 64, 2013), S. 141f.
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