Taaffe, Eduard Franz Joseph Gf., 11. Viscount T. of Corren and Baron of Ballymote (1833–1895), Politiker

Taaffe Eduard Franz Joseph Gf., 11. Viscount T. of Corren and Baron of Ballymote, Politiker. Geb. Wien, 24. 2. 1833; gest. Ellischau, Böhmen (Nalžovské Hory, CZ), 29. 11. 1895; röm.-kath. Sohn von →Ludwig Gf. T. und der k. Palastdame Amalia Gfn. T., geb. Fürstin Bretzenheim v. Régecz, Vater von Heinrich Gf. T. (geb. Innsbruck, Tirol, 22. 5. 1872; gest. Wien, 25. 7. 1928); 1860 Heirat mit der Palastdame Irma Gfn. T., geb. Gfn. Csáky v. Körösszegh u. Adorján (geb. Kaschau, Ungarn / Košice, SK, 6. 1. 1838; gest. Wien, 15. 5. 1912). – T. erhielt Privatunterricht, stud. 1850–52 Rechtswiss. an der Univ. Wien und trat anschließend als Konzeptspraktikant bei der nö. Statthalterei ein. I. d. F. war er in verschiedenen Funktionen, u. a. auch in Ungarn, tätig, bevor er 1861 Leiter der Kreisbehörde in Prag und 1863 Landespräs. von Sbg. wurde. Im Jänner 1867 zum Statthalter von OÖ ernannt, wurde T. im März dieses Jahres von →Friedrich Ferdinand Gf. Beust zum Innenminister berufen. Dieses Amt bekleidete er bis Jahresende, wobei er ab Juni zusätzl. stellv. Ministerpräs. war. 1867–70 wirkte er als Minister für Landesverteidigung und öff. Sicherheit, war ab September 1868 interimist. und von April 1869 bis Jänner 1870 Ministerpräs.; 1870–71 Minister des Innern und für Landesverteidigung. Nachdem er 1871–79 als Statthalter in Tirol tätig gewesen war, wurde er erneut Innenminister und war zudem 1879–93 Ministerpräs. Außerdem war T. 1864–66 und 1867–69 Abg. im böhm. LT, 1867–70 Mitgl. des Abg.hauses und ab 1870 Mitgl. des HH. T. fühlte sich in seinem polit. Handeln ausschließl. dem K.haus und nicht Parteiinteressen verpflichtet, die er aber zur Erreichung seiner Ziele zu instrumentalisieren verstand; diese Haltung war für einen Großteil der Adeligen charakterist. und beruhte nicht primär – wie vielfach behauptet – auf seiner angebl. Jugendfreundschaft mit K. →Franz Joseph I. Erste polit. Erfolge erzielte er mit der Verabschiedung der Wehrgesetze von 1868, durch die die allg. Wehrpflicht eingeführt, die Mindesttruppenstärke und v. a. die erforderl. Finanzmittel festgelegt wurden, sowie mit der 1879 erfolgten Verlängerung der Gültigkeit dieser Bestimmungen. Dies trug gem. mit der endgültigen Sanierung des Staatshaushalts und der erfolgreichen Verlängerung des Ausgleichs mit Ungarn (1887) zur Festigung der staatl. Machtbasis im internationalen Umfeld bei. Sein Hauptverdienst als Ministerpräs. war die zunächst erfolgreiche Lösung der langjährigen cisleithan. konstitutionellen Krise: 1879 erreichte er im Zuge der Regierungsbildung das dauerhafte Zusammentreten eines „Vollparlaments“, wodurch auch der national aufgeladene Gegensatz zwischen Zentralisten und Föderalisten, die bis dahin die parlamentar. Teilnahme vielfach verweigert hatten, überbrückt wurde. Bis in die späten 1880er-Jahre stützte sich seine Regierung v. a. auf das aus Polenklub, Kath.-Konservativen der Alpenländer, Südslawen und Tschech. Nationalpartei gebildete Bündnis des „Eisernen Rings“. Um die unterschiedl. Interessen dieser Parteien auszugleichen, musste der Pragmatiker T. immer wieder solide Mehrheiten suchen. Diese von seinen Gegnern als „Fortwursteln“ bezeichnete Vorgangsweise erfolgte vor dem Hintergrund der Ausbreitung industrieller Produktionsweisen sowie einer ab 1880 v. a. in Böhmen einsetzenden schweren Agrarkrise. In den während seiner Regierungszeit erlassenen Gesetzen wurden tw. die Errungenschaften der liberalen Ära weitergeführt, z. B. die Ablehnung der Rekonfessionalisierung der Volksschulen. Weiters wurden u. a. durch die Senkung des Wahlzensus („Fünfguldenmänner“) 1882 oder durch die Gewerbenovellen 1883 mittelständ. Interessen gestärkt. Der entstehenden Arbeiterbewegung versuchte T. mit ersten Sozialgesetzen wie der Einführung von Gewerbeinspektoraten sowie von Unfall- und Krankenversicherung zu entgegnen, schreckte aber auch vor Repressionen nicht zurück. Weiters erfolgten Zugeständnisse in der Verwendung des Tschech. bei Behörden (T.-Stremayr’sche Sprachverordnung) oder durch die Teilung der Prager Univ. sowie eine bis dahin ungeahnte Steigerung der Bedeutung der LT. Die Ausgrenzung der in den späten 1880er-Jahren überaus rasch an Bedeutung gewinnenden Jungtschechen aus den parlamentar. Verhh. über einen „böhmischen Ausgleich“ leitete das Ende der Ära T. ein: Ihr die Alttschechen bei der RR-Wahl 1891 nahezu paralysierender Wahlerfolg bedeutete das Ende des „Eisernen Rings“; der Versuch, die Dt.liberalen anstelle der Alttschechen in die Koalition mit dem Polenklub und den Konservativen einzubinden, zeitigte nur kurzfristige Erfolge. Nach der Einbringung einer Vorlage für eine umfassende Erweiterung des Wahlrechts zwang ihn dann aber eben diese Koalition im November 1893 zum Rücktritt. 1857 Kämmerer, 1867 Geh. Rat, erhielt T. in diesem Jahr das Großkreuz des Leopold-Ordens (1891 Ordenskanzler); 1878 Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies, 1887 Großkreuz des St. Stephans-Ordens, 1850 Ehrenritter des Johanniter-Ordens, 1881 Großkreuz des Ordens vom Hl. Mauritius und Lazarus, 1892 preuß. Schwarzer Adlerorden. T. war Besitzer der böhm. Herrschaften Ellischau, Kolinetz (Kolinec), Tedražitz (Tedražice), Zamlekau (Zavlekov) und Neprachow (Neprochovy) sowie Mitbesitzer der ung. Güter Vilmány und Fony im Kom. Abaúj-Torna.

L.: ADB; NDB; Wurzbach; Der polit. Nachlaß des Gf. E. T., ed. A. Skedl, 1922 (m. B.); G. Beck, Die Persönlichkeit des Gf. E. T., phil. Diss. Wien, 1948; H. Hantsch, in: Gestalter der Geschicke Österr., ed. ders., 1962, S. 447ff. (m. B.); W. A. Jenks, Austria under the Iron Ring 1879–93, 1965; E. Kielmansegg, K.haus, Staatsmänner und Politiker, 1966, S. 213ff. (m. B.); K. Ebert, Die Anfänge der modernen Sozialpolitik in Österr. …, 1975, s. Reg.; R. Schober, in: MÖSTA 29, 1976, S. 258ff.; U. E. Zellenberg, in: Konservative Profile …, ed. ders., 2003, S. 225ff. (m. B.); H. P. Hye, in: MIÖG 120, 2012, S. 65ff.; UA, Wien.
(H. P. Hye)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 64, 2013), S. 181f.
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