Thomas Rudolf, bis 1918 Taussig, Journalist. Geb. Karolinenthal, Böhmen (Praha, CZ), 10. 4. 1895; gest. Praha (CZ), 10. 10. 1938 (Selbstmord); mos., später evang. Sohn von Adolf Taussig und Berta Taussig, Bruder von Jan (Hanus) T. (geb. 7. 8. 1892), der nach einem Technikstud. ab den 1920er-Jahren bis 1938 Red. beim volkswirtschaftl. Tl. des „Prager Tagblatts“ war, im April 1939 nach Großbritannien emigrierte und während des Kriegs für das tschechoslowak. Außenmin. im Exil tätig war. – T. begann sich schon als Gymnasiast journalist. zu betätigen und veröff. Beitrr. sowohl in Wr. Bll. als auch in jüd. Z. Prags. Noch vor dem 1. Weltkrieg trat er in die Red. des „Prager Tagblatts“ ein; 1915–18 leistete er Kriegsdienst in der Armee. Bereits Anfang der 1920er-Jahre wurde er zunächst Chef vom Dienst und bald neben Sigmund Blau, den er ab 1925 vertrat, stellv. Chefred. des „Prager Tagblatts“. Die Ztg. erlebte unter dieser gem. Führung einen kontinuierl. Aufschwung, der sich bis in die 1930er-Jahre fortsetzte. Polit. vertrat das Blatt auch nach Errichtung der Republik weiterhin eine unabhängige, liberale Haltung. Man unterstützte die offizielle Außenpolitik, ohne allzu große Nähe zur jeweiligen Regierung, verlor aber die Interessen der dt. Minderheit nicht aus den Augen. Unter T.’ und Blaus Leitung wurde die Ztg. ab Mitte der 1920er-Jahre formalen und inhaltl. Reformen unterworfen: Nachrichtendienst und Kommentar standen auf hohem Niveau, die internationale Berichterstattung wurde ausgebaut, das Feuilleton trat nach 1930 etwas in den Hintergrund, im Wirtschaftsteil übertraf die Ztg. die gesamte übrige Presse der ČSR. Als einer der letzten Vertreter liberaler Presse in dt. Sprache und Ansprechpartner für dt.sprachige Emigranten war sich T. ab 1933, wie die krit. Berichterstattung während verschiedener Krisen zeigte, seiner journalist. Verantwortung bewusst. Das Blatt, zu dessen Stammleserschaft das jüd. Bürgertum Prags gehörte, das aber rund zwei Drittel seiner Aufl. außerhalb Prags absetzte und über eine bedeutende Leserschar in Österr. verfügte, wurde im April 1933 im Dt. Reich verboten. Die Änderung der polit. Verhältnisse und ein Machtkampf unter den Eigentümern führten im Herbst 1936 zu einer innerredaktionellen Krise. Ende des Jahres wurde Blau auf Wunsch der Eigentümermehrheit entmachtet. T., im Februar 1937 zum Chefred. bestellt, gelang es jedoch, eine allzu enge Ausrichtung der Ztg. auf das Dt. Reich hin weitgehend abzuwenden. T., der u. a. mit Max Brod, Franz Werfel, →Franz Kafka und →Paul Kornfeld befreundet war, beging Anfang Oktober, eine Woche nach dem Münchner Abkommen, gem. mit seiner Frau Selbstmord.