Thomé, Franz (1807–1872), Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor

Thomé Franz, Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor. Geb. Wien, 21. 11. 1807; gest. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 22. 5. 1872. Sohn eines Kanzleibeamten des russ. Gesandten →Andreas Fürst Razumovsky in Wien; in 1. Ehe mit der Schauspielerin und Sängerin Marie T., geb. Baumgärtner (1817–1859), in 2. Ehe mit der Mezzosopranistin Adelaide T., geb. Günther (1834–1865), verheiratet. – Nach der Matura in Dresden, wo T. mit seiner Mutter während des Schulbesuchs lebte, entschloss er sich, zum Theater zu gehen, und debüt. 1824 in Wien. Danach wirkte er bei mehreren (nur z. Tl. ermittelten) dt.sprachigen Theaterges.: 1828–31 in Böhmen bei Jan Suwar, 1832 in Brünn (Brno), danach in Mainz. 1838–39 war er Schauspieler und Regisseur in Pest (Budapest), 1845 Pächter der vereinigten Theater in Laibach und Triest. Ab 1847 kurze Zeit am dt. Theater in Lemberg (L’viv) tätig, übernahm er im Juni 1848 das ständ. Theater in Klagenfurt, dem er die Bühnen in Laibach und Triest wieder anschloss. 1850–53 leitete er das Landestheater mit dem Schauspiel- und Opernensemble in Graz, wobei er weiterhin als Schauspieler und Regisseur tätig war. 1853 pachtete T. das Theater in Riga, spielte mit seinem Ensemble auch in Nachbarstädten sowie in Helsinki und brachte 1857 als erste Oper Wagners überhaupt den „Tannhäuser“ nach Finnland. 1858 bewarb er sich erfolgreich um die Leitung des Prager Landestheaters, an dem sich das dt. und das tschech. Ensemble die Bühne teilten. In Prag ließ er 1859, mit →Johann August Stöger als stillem Teilhaber, zusätzl. ein gut ausgestattetes Sommertheater, die sog. Neustädter Arena mit 3.000 Plätzen, erbauen, die ihm bis zu seinem Tod Pachteinnahmen brachte. Als im November 1862 mit dem Tschech. Landestheater (Interimstheater) die erste selbstständige tschech. Bühne Prags eröffnet wurde, blieb T. Dir. sowohl des dt. als auch des tschech. Hauses. Im Frühling 1864 liefen seine Verträge für beide Bühnen aus, doch leitete er das tschech. Ensemble, nachdem sein Nachfolger am Interimstheater im September 1865 bankrott gegangen war, noch bis zum preuß.-österr. Krieg 1866. Durch seine organisator. Sorgfalt und intensive Unterstützung machte er sich um das tschech. Theaterwesen sehr verdient (während seiner Zeit fanden u. a. die Urauff. von →Friedrich Smetanas Opern „Die Brandenburger in Böhmen“ und „Die verkaufte Braut“ 1866 statt). 1867–70 war er Dir. des Landschaftl. Theaters in Linz, danach lebte er, zuletzt schwer krank, als Privatier wieder in Prag. T. galt als erfahrener Unternehmer mit hohem künstler. Niveau. An all seinen Bühnen schränkte er das Possen- und Operettenrepertoire zugunsten des soliden Schauspiels und der Oper ein und legte Wert auf die Bühnenausstattung. T. war Mitbegründer und Vorstand der 1859 in Prag gegr. Künstlerges. Schlaraffia. Ein Teilnachlass befindet sich in der Hss.smlg. der Wienbibl. im Rathaus, Wien.

L.: NFP, 24. 5. 1872; Kosch, Theaterlex.; Ludvová (m. B. u. L.); Wurzbach; O. Teuber, Geschichte des Prager Theaters 3, 1888, bes. S. 485ff., 680ff., 787; A. Čech, Z mých divadelních pamětí, 1903, bes. S. 27, 29f., 37, 46, 48; A. Javorin, Pražské arény, 1958, S. 55ff.; V. Justl, V. K. Klicpera, 1960, s. Reg.; P. Pražák, Smetanova Prodaná nevěsta, 1962, S. 33, 39, 41, 46, 68; Das Grazer Schauspielhaus, 1964, S. 105f.; E. Grünsteidl, Die Geschichte des Linzer Landständ. Theaters …, phil. Diss. Wien, 1970, S. 164ff.; O. Rudan, Das ständ. Theater in Klagenfurt, 1973, s. Reg.; G. Noé, in: Z. des Hist. Ver. für Stmk. 84, 1993, S. 157ff.; J. Got, Das österr. Theater in Lemberg im 18. und 19. Jh. 1–2, 1997, s. Reg. Bd. 2; H. Salmi, in: Die Geschichte des dt.sprachigen Theaters im Ausland …, ed. L. Kitching, 2000, S. 55ff.
(J. Ludvová)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 65, 2014), S. 305f.
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