Thullie, Maksymilian Marceli (1853–1939), Bautechniker und Politiker

Thullie Maksymilian Marceli, Bautechniker und Politiker. Geb. Lemberg, Galizien (L’viv, UA), 16. 1. 1853; gest. ebd., 1. 9. 1939. Sohn des Verwaltungsbeamten und späteren Kreishptm. Sylweriusz T. – Nach der Matura 1871 stud. T. ein Jahr an der Techn. Akad. in Lemberg und danach bis 1876 an der TH Wien. Im selben Jahr begann er seine Tätigkeit bei der Eisenbahn auf der Strecke Lemberg–Czernowitz–Jassy, wo er zunächst dem Instandhaltungsdienst in Lemberg und nach dessen Auflösung der Instandhaltungssektion in Stanislau (Ivano-Frankivsk) zugeteilt war. 1877 wurde er als Insp. zum Brückenbau über den Sereth in das rumän. Pașcani versetzt. Nach Ablegung der „strengen Prüfung“ an der TH Wien 1878 übernahm er als Ing.eleve 2. Kl. das Dezernat für Brücken und stat. Berechnungen beim Instandhaltungsbüro der Eisenbahndion. Lemberg. Im selben Jahr als Priv.Doz. der Brückentheorie an der Polytechn. Schule Lemberg habil., hielt T. dort ab 1880 Vorlesungen zur Baumechanik; 1882 Erweiterung der Habil. auf graph. Statik; 1889 wurde T. Privatprof. für Baustatik und Brückenbau, nach seinem Austritt aus dem Eisenbahndienst 1890 ao. Prof., 1894 o. Prof. und Rektor der TH Lemberg; 1902 Dr. der techn. Wiss. an der TH Prag. 1910/11 war T. neuerl. Rektor und leitete 1914–15 als Stellv. das Rektorat. Mehrmals fungierte er auch als Ordinarius der Abt. für Ing.wesen. Nach dem 1. Weltkrieg beteiligte er sich an der Organisation der TH und der Akad. der Techn. Wiss. in Warschau, deren Mitbegründer und zweiter Vors. er war. 1925 i. R. und Ehrenprof. der TH Lemberg, an der er weiter Vorlesungen hielt. Über Jahrzehnte hinweg bildete T. Tausende Ing. aus und begründete damit eine eigene Schule. Neben seiner Lehrtätigkeit gehörte er ab 1894 über 30 Jahre dem Lemberger Stadtrat an und war 1922–35 als Abg. der Christl. Demokratie Senator der Republik Polen. Seine Publ.tätigkeit begann T. 1878 mit Abhh. über Influenzkurven. Seither befasste er sich mit fast allen Problemen der Konstruktionswiss. und publ. dazu wertvolle Beitrr. in in- und ausländ. Fachz. Darüber hinaus veröff. er Arbeiten zur Werkstofffestigkeit, beschäftigte sich mit der Theorie des Grunddrucks auf Stützwände und trug maßgebl. zur Entwicklung der Eisenbetontheorie bei: Er veröff. Grundlagen zur Berechnung von Eisenbetonbalken, führte den Begriff und die Unterscheidung ihrer Arbeitsphasen ein und bestimmte, in welchen Phasen die Zugfestigkeit berechnet werden soll. Vor dem 1. Weltkrieg unternahm er in der Versuchsstation der Lemberger Polytechn. Schule einige Hundert Experimente auf diesem Gebiet. Zudem zählte T. zu den wichtigsten poln. Fachschriftstellern im Bereich des Brückenbaus (er schrieb die ersten poln.sprachigen Lehrbücher über den Brückenbau aller Typen) und der Baustatik. Unter seinen mehr als 260 Publ. befinden sich 22 vielfach aufgelegte Lehrbücher. 1884–89 red. er auch die Fachz. „Czasopismo Techniczne“. T. war ab 1913 Mitgl. der Wiss. Ges. in Lemberg sowie ab 1936 o. Mitgl. der Warschauer Wiss. Ges. 1909 wurde er HR, 1929 Dr. h. c. der TH Lemberg, 1931 erhielt er den Wiss. Preis der Stadt Lemberg. Er war Ehrenmitgl. der Poln. Polytechn. Ges. in Lemberg und des Poln. Verbands der Bauing., besaß das Kommandeurskreuz des Ordens Polonia Restituta (1936) sowie das päpstl. Ehrenkreuz Pro Ecclesia et Pontifice.

L.: Księga Jubileuszowa ku czci prof. dra inż. M. T., 1931; Who’s Who in Central and East-Europe 1933/34, ed. St. Taylor, 1935; J. Fougerolle, in: Cent ans de béton armé, 1949, S. 41, 63; J. Nechay, Początki żelbetu w Polsce, 1956; A. Kuryłło, in: Inżynieria i Budownictwo, 1959; S. Kaufman, in: Nauka Polska, 1981, Nr. 9–10, S. 79ff.; Słownik polskich pionierów techniki, 1986; Biogramy uczonych polskich 4, ed. A. Śródka – P. Szczawiński, 1988; A. Pauser, Eisenbeton 1850–1950, 1994, bes. S. 176 (m. B.); M. Czapski, in: Inżynierowie polscy w XIX i XX wieku 8, red. J. Piłatowicz, 2005, S. 155; A. Kuryłło, in: Ing. des XX. Jh., 2010 (CD-ROM); Mitt. Krzysztof Dąbrowski, Wien.
(Redaktion)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 65, 2014), S. 318f.
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