Tietze Emil, Geologe. Geb. Breslau, Preußen (Wrocław, PL), 15. 6. 1845; gest. Wien, 4. 3. 1931; evang. Sohn eines Fabrikanten; ab 1879 verheiratet mit Rosa T., der Tochter von →Franz v. Hauer. – Nach Besuch der Realschule sowie des Gymn. (Matura 1864) stud. T. Naturwiss. an den Univ. Breslau und Tübingen sowie Geol. in Breslau bei Carl Ferdinand v. Roemer; 1869 Dr. phil. Im selben Jahr wurde er Korrespondent der Geolog. Reichsanstalt in Wien, 1870 trat er auf Vermittlung von →Karl Stache als Volontär und Praktikant in diese ein; 1872 Hilfsgeologe, 1875 Adjunkt, 1877 Geologe, 1883 Titel eines Chefgeologen, 1885 Chefgeologe, 1889 Oberbergrat, 1901 Vizedir., ab 1902 Dir., 1918 i. R. Anfänglich hatte T. wesentl. Anteil an der geolog. Landesaufnahme im Maßstab 1:75.000 und erkundete das Paläozoikum der Ostalpen. 1873 ging er im Auftrag einer engl. Unternehmung nach Persien, stand 1874 im Dienst der dortigen Regierung und forschte über die Beziehungen zwischen Vulkanismus und Gebirgsbildung (Elburs) sowie über die Entstehung von Salzlagern. 1875 kehrte er nach Wien zurück, setzte seine Aufnahmearbeiten in Galizien (teils erstmalig), österr. Schlesien, Dalmatien, Kroatien, Podolien sowie in den Karpaten fort, 1876 reiste er nach Italien. Ab 1879 erfolgte die geolog. Landesaufnahme von Bosnien-Herzegowina gem. mit →Johann Mojsisovics v. Mojsvár und →Alexander Bittner, 1881 im Auftrag der k. Akad. der Wiss. in Wien jene von Montenegro. Eine Forschungsreise nach Lykien (1882) führte ihn zu Stud. über kontinentale Hebungen und Senkungen. Ab 1889 widmete er sich weiteren Kartierungsarbeiten in Mähren. Sein Bl. Olmütz war das erste farbig gedruckte Kartenbl. der „Geologischen Spezialkarte 1:75.000“, für die T. ein gem., verbindl. Farbenschema (Legende) schuf. Unter seiner Ägide begann damit ein neuer Abschnitt im geolog. Aufnahmebetrieb. Darüber hinaus bekämpfte er mit Erfolg polit. Bestrebungen, die die Unabhängigkeit der Geolog. Reichsanstalt in Frage stellten. Zu T.s Leistungen zählen seine umfangreichen geolog. Landesaufnahmen, die er monarchieweit durchführte. Er befasste sich mit der Gliederung des Karpatensandsteins sowie des Jungtertiärs (Neogen) und nahm zum Problem der Erdölbildung mit neuen Ideen Stellung. In Fragen der Überschiebungen im Karpatenraum lehnte T. →Eduard Sueß’ Ansichten ab. Diskrepanzen mit Sueß gab es auch bei der Interpretation des Löß. T. schrieb Beitrr. zur Geschichte der Geol. und vertrat Österr. ab 1881 auf zahlreichen internationalen (Geologen-)Kongressen. 1903 fungierte er als Gen.sekr. des 9. Internationalen Geologenkongresses in Wien, 1906 als Präs. des 10. Internationalen Geologenkongresses in Mexiko. 1912 war er Gast der British Association for the Advancement of Science in Dundee. T. war u. a. ab 1873 Mitgl. der Geograph. Ges. (1896–1900 Vizepräs., 1900–08 Präs., 1908–31 Ehrenpräs.), ab 1883 der Dt. Akad. der Naturforscher Leopoldina, ab 1912 der Geolog. Ges. sowie Ehrenmitgl. zahlreicher ausländ. Ges. 1905 HR, erhielt er 1915 die Franz v. Hauer-Medaille; 1898 Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Kl., 1916 Ritter des Leopold-Ordens.