Toldt, Carl (1840–1920), Anatom und Anthropologe

Toldt Carl, Anatom und Anthropologe. Geb. Bruneck, Tirol (Brunico/Bruneck, I), 3. 5. 1840; gest. Wien, 13. 11. 1920; röm.-kath. Sohn von Josef T. (gest. 1858), Kommunal- und Stiftungsverwalter, zuletzt Steueroberinsp., und Walpurga T., geb. Tinkhauser; ab 1872 verheiratet mit Kreszenz T., geb. Pfaundler (gest. 1898). – Nach Besuch des Gymn. in Brixen (Bressanone) stud. T. ab 1858 an der med.-chirurg. Josephsakad. (Josephinum) in Wien mit der Verpflichtung zum Dienst als Militärarzt; 1864 Dr. med. Zunächst Oberarzt im Garnisonsspital in Verona, wo er rasch die Leitung der Augenklinik übernahm, wechselte T. 1865 an das Garnisonsspital in Mantua (Mantova). 1866 nahm er an der Schlacht bei Custozza unter Erzhg. →Albrecht teil. Danach erhielt er eine Ass.stelle am Josephinum bei →Ewald Hering; 1869 Doz. für mikroskop. Anatomie. 1871 Ass. an der Univ. Wien bei →Karl Langer v. Edenberg, habil. er sich dort in diesem Jahr für Histol. 1875 ao. Prof. für Anatomie, 1876 o. Prof., wurde er im selben Jahr auch Prof. für deskriptive Anatomie und Vorstand des anatom. Inst. an der Univ. Prag, wo er entscheidende Impulse für den Neubau des Inst. (Eröffnung 1877) sowie die Ausgestaltung des anatom. Mus. setzte; 1881/82 Dekan. 1884 kehrte T. als o. Prof. für deskriptive und topograph. Anatomie an die Univ. Wien zurück, wo er sich ebenfalls Verdienste um den Neubau des anatom. Inst. (Eröffnung 1886) erwarb; 1885/86, 1900/01 Dekan. Seine Amtszeit als Rektor 1897/98 war geprägt von Unruhen als Folge der Badeni’schen Sprachenverordnung, wobei sich T. auf die Seite der Dt.nationalen stellte; 1908 emer. Wiss. befasste sich T. insbes. mit Forschungen über das Wachstum der Nieren, der Leber, der Magendrüsen und des Mesenteriums. Von seinen Publ. verdient sein „Lehrbuch der Gewebelehre …“ (1877, 3. Aufl. 1888) Erwähnung. Beispielgebend war sein vielfach aufgelegter „Anatomischer Atlas …“. Dieses 1896–1900 erschienene Standardwerk trug wesentl. zur Vereinheitlichung der anatom. Nomenklatur bei, wurde ins Engl., Französ., Ung. und Russ. übers. und von dem Anatomen Ferdinand Hochstetter weitergeführt. Darüber hinaus zeichnete sich T. durch die Bearb. und Hrsg. von Langers „Lehrbuch der systematischen und topographischen Anatomie“ (1889) aus. Zahlreiche wiss. Arbeiten, themat. von der Urgeschichte bis zu den Kriegsgefangenenlagern des 1. Weltkriegs reichend, verf. er im Rahmen der Wr. Anthropolog. Ges. (ab 1885 Mitgl., ab 1898 Vizepräs., ab 1903 Präs.). T. war u. a. ab 1887 Mitgl. der Dt. Akad. der Naturforscher Leopoldina, ab 1887 k. M., ab 1888 w. M. der k. Akad. der Wiss. in Wien, ab 1903 o. Mitgl. der Kgl. Ges. der Wiss. in Uppsala, ab 1904 Mitgl. der American Association of Anatomists, ab 1906 k. M. der Berliner Ges. für Anthropol., Ethnol. und Urgeschichte sowie ab 1920 k. M. der Akad. der Wiss. in Berlin. 1892 HR, 1905 lebenslängl. Mitgl. des HH. 1898 erhielt er das Ritterkreuz des Leopold-Ordens, 1908 wurde er Ritter des Franz Joseph-Ordens. 1920 Dr. h. c. der phil. Fak. der Univ. Wien sowie Dr. h. c. med. der dt. Univ. Prag.

Weitere W.: s. C. T., Autobiographie, 1922 (m. B.); Stober. – Teilnachlass: UA, Wien.
L.: Wr. Bilder, 14. 11. 1897 (m. B.); NFP, 18. 8. 1905, 19. 5. 1908, 4. 5. 1910, 25. 12. 1914, 3. 5. 1915; WZ, 14. 11. 1920; Almanach Wien 71, 1921, S. 155ff. (m. B.); Czeike; Eisenberg 2; Inauguration Univ. Wien 1921/22, 1921, S. 30ff.; Lesky, s. Reg. (m. B.); WMW 70, 1920, Sp. 2045; R. Pöch, in: WKW 33, 1920, S. 1041ff.; R. v. Klebelsberg, in: Der Schlern 2, 1921, S. 25ff.; C. Toldt, Geschichte der Familie T., bearb. K. Toldt, 1940 (m. B.); M. Stober, Personalbibliographien … Anatomie … Univ. Wien … 1845–1969, med. Diss. Erlangen-Nürnberg, 1971, S. 31ff. (m. W.); H. Gröger, in: APIS 3, 1990, S. 44ff.; G. Oberkofler, in: Der Schlern 68, 1994, S. 17ff.; L. Hlaváčková – P. Svobodný, Biograph. Lex. der dt. med. Fak. in Prag 1883–1945, 1998; Josephinum, UA (m. B.), beide Wien; UA, Praha, CZ.
(K. Sablik)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 376
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