Toldy, Ferenc; bis 1847 Schedel, Ps. Békefi, Corvin, Emil etc. (1805–1875), Literaturwissenschaftler und Mediziner

Toldy Ferenc, bis 1847 Schedel, Ps. Békefi, Corvin, Emil etc., Literaturwissenschaftler und Mediziner. Geb. Ofen (Budapest, H), 10. 8. 1805; gest. Budapest (H), 10. 12. 1875; röm.-kath. Sohn des Postbeamten Franz Schedel und von Josefine Schedel, geb. Thalherr (1772–1856), Vater des Schriftstellers István T. (geb. Pest/Budapest, H, 4. 6. 1844; gest. Budapest, 6. 12. 1879) sowie des Archivars und Historikers László T. (geb. Pest, 17. 8. 1846; gest. Budapest, 24. 3. 1919). – T., der neben Dt. auch Ung. und Slowak. sprach, entstammte einer dt. Familie. Er besuchte 1814–18 das Piaristengymn. in Pest und stud. 1819–22 an der phil., 1822–27 an der med. Fak. der Univ. Pest; 1829 Dr. med. 1823, 1824 sowie 1829–30 unternahm T. ausgedehnte Stud.reisen u. a. nach Wien, Krakau (Kraków), London, Paris, Italien und in die Schweiz. 1829–30 hörte er in Berlin die Vorlesungen Hegels und traf Goethe in Weimar. Nach seiner Rückkehr praktizierte er als Arzt in Pest, war 1833–46 ao. Prof. der Diätetik, 1850–61 Priv.Doz. der Ästhetik und Literaturgeschichte, ab 1861 o. Prof. für ung. Sprache und Literatur an der Univ. Pest. Ab 1844 wirkte T. auch als Dir. der Univ.bibl.; 1863–65 Dekan der phil. Fak., 1871–72 Rektor. 1836–43 stand T. im Dienst der Geheimen Staatspolizei in Wien, ein Jahrzehnt später wurde er selbst Opfer eines Spitzelberichts, weshalb seine Anthol. der ung. Literatur und Historiographie „Magyar Chrestomathia“ (2 Bde., 1853) als Lehrbuch abgelehnt wurde. Noch während seines Stud. schloss T. mit bedeutenden Persönlichkeiten des literar. Lebens Bekanntschaft und veröff. erste Ged. sowie Übers. aus dem Dt. Aufmerksamkeit erregte er mit seiner Stud. über Mihály Vörösmarty („Aesthetikai levelek Vörösmarty Mihály’ épikus munkájiról“, 1827). Ab den 1830er-Jahren trat er als eine der treibenden organisator. Kräfte des geistigen Lebens sowie als Gründer, Hrsg. und Red. wichtiger Z. der Epoche in Erscheinung. 1836 war er maßgebl. an der Gründung der Kisfaludy-Ges. beteiligt. Gem. mit Pál Bugát gab er die med. Fachz. „Magyar Orvosi Tár“ (1831–32) sowie ein ung.-latein. und latein.-ung. med. Fachwörterbuch heraus („Magyar-deák és deák-magyar orvosi szókönyv az Orvosi Tár’ első két évéhez“, 1833). 1834–45 red. er die Z. der MTA „Tudománytár“, 1837–43 mit Vörösmarty sowie József Bajza die Z. „Athenaeum“, eines der wichtigsten gesellschaftspolit. und literar. Foren der Reformzeit in Ungarn. 1837–40 red. er die Z. „Figyelő“, das erste moderne, den Fragen der zeitgenöss. Literatur bzw. der Ästhetik und der Literaturkritik gewidmete Periodikum in Ungarn, und war 1850–60 verantwortl. Red. der wiss. Revue „Új Magyar Muzeum“, die mehrere Mitgl. der MTA zu ihren Mitarb. zählte. T. gilt als Begründer der modernen, mit wiss. Anspruch antretenden Literaturgeschichtsschreibung in Ungarn. In seinem Lehrbuch „A magyar nemzeti irodalom története a legrégibb időktől a jelenkorig rövid előadásban“ (2 Bde., 1864–65) sowie in den Werken „A magyar nemzeti irodalom története“ (2 Bde., 1851–55; Neuaufl. 1987, ed. Anna Szalai), „A magyar költészet története“ (2 Bde., 1854–67; Neuaufl. 1987, ed. A. Szalai) und „A magyar nyelv és irodalom kézikönyve a mohácsi vésztől a jelenkorig“ (2 Bde., 1855–57) überwand er die lexikograph. aufgebaute Literaturgeschichte und rückte die hist. Perspektive in den Vordergrund. Durch Klärung und Festlegung von Terminol. und Epochengrenzen schuf er die Grundlagen für den Kanon der ung. Nationalliteratur. Durch Übers. antholog. und wiss. Werke beeinflusste er auch die dt.sprachige Rezeption der ung. Literatur („Geschichte der Ungrischen Literatur im Mittelalter“, 1865; „Handbuch der ungrischen Poesie“, 2 Bde., 1828). Als Anhänger →Ferenc v. Kazinczys war T. ein Befürworter der Spracherneuerung, deren Bedeutung er in seiner unvollendeten Monographie „Kazinczy Ferenc és kora“ (2 Bde., 1859–60; Neuaufl. 1987, ed. A. Szalai) hervorhob. Er entdeckte bzw. veröff. mehrere Sprachdenkmäler und ed. die Werke zahlreicher Schriftsteller. T. war u. a. ab 1848 k. M. der k. Akad. der Wiss. in Wien, ab 1830 o. Mitgl., ab 1871 Dion.mitgl. der MTA; 1836 Gründungsmitgl., 1841–60 Dir., 1860–73 Vizepräs., 1873–75 Präs. der Kisfaludy-Ges. Für seine Verdienste erhielt er den Großen Preis der MTA (1858, 1868) sowie den Marczibányi-Anerkennungspreis der MTA.

Weitere W. (s. auch M. Irodalmi Lex. II; Markó; Szinynyei; ÚMÉL; Új magyar irodalmi lex.): Diaetetica’ elemei, 1839; Összegyűjtött Munkái, 8 Bde., 1868–74; Bajza J. és T. F. levelezése, ed A. Oltványi, 1969; Irodalmi arcképek, ed. I. Lőkös, 1985.
L.: M. Irodalmi Lex. II (m. B. u. W.); Markó (m. B. u. W.); Szinnyei (m. W.); ÚMÉL (m. B. u. W.); Wurzbach; Á. Greguss, T. F. félszázados irodalmi munkássága, 1871; Emléklapok T. F. születése századik évfordulójának emlékére, 1906; A. Kuncz, T. F., 1907; A. Wéber, T. F., 1986; Új magyar irodalmi lex. 3, 2. Aufl. 2000 (m. W.); Á. Deák, in: Holmi 13, 2001, S. 922ff.; P. Dávidházi, Egy nemzeti tudomány születése, 2004; Kindlers Literatur Lex. 16, 3. völlig neu bearb. Aufl. 2009.
(Á. Z. Bernád)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 376f.
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