Tomschik, Josef (1867–1945), Funktionär und Politiker

Tomschik Josef, Funktionär und Politiker. Geb. Josefstadt, Böhmen (Jaroměř, CZ), 27. 12. 1867; gest. Wien, 6. 7. 1945; röm.-kath. Sohn eines Bahnmeisters der Franz-Josefs-Bahn; verheiratet mit Barbara T., geb. Hofer (geb. 22. 12. 1868; gest. Wien, 29. 3. 1937). – T. arbeitete nach der Volksschule in einer Nähmaschinenfabrik, ehe er eine Schlosser- und Dreherlehre in der Maschinenfabrik Neuburger & Berndt absolv. Ab 1887 in der Staatsbahnwerkstätte Wien Westbahn als Eisendreher tätig, begann er sich gewerkschaftl. zu engagieren und gründete den Arbeiterbildungsver. Rudolfsheim. So ermöglichte etwa sein Einsatz den Werkstättenarbeitern die restriktionsfreie Teilnahme an der 1.-Mai-Feier 1890. 1893 gründete T. den Fachver. der Heizhaus- und Werkstättenarbeiter der Staatseisenbahnges. Er verf. zahlreiche Artikel für die von →Viktor Adler hrsg. Z. „Gleichheit“, in denen er sich mit den Arbeitsbedingungen und der sozialen Situation der Eisenbahner beschäftigte. Im April 1894 gelang T. trotz des strikten Koalitionsverbots für Eisenbahner die Vereinigung des Fach- und Unterstützungsver. der Verkehrsbediensteten Oesterr. mit dem Fachver. der Heizhaus- und Werkstättenarbeiter, zunächst zum Verband der Gewerkschafts-, Fach- und Unterstützungsver. der Eisenbahnbediensteten und aller verwandten Berufe unter dem Obmann Heinrich Wintersberger und mit T. als Zentralsekr. (bis Dezember 1930) und schließl. die Vereinigung zu einer einheitl. sozialdemokrat. (freien) Organisation unter dem Namen Rechtsschutz- und Unterstützungsver. der österr. Eisenbahnbediensteten. Die „Eisenbahner-Zeitung“ wurde eingestellt, als Verbandsorgan wurde das ältere Fachbl. „Der Eisenbahner“ belassen, dessen Red. T. nach seiner Entlassung aus den Staatsbahnen (wegen fortgesetzten gewerkschaftl. Engagements) im Juni 1894 übernahm. Bes. unterstützt wurde er dabei von Wilhelm Ellenbogen. Im März 1897 wurden sämtl. der Gewerkschaftskomm. angeschlossenen Eisenbahnerver. vom Min. des Innern wegen Staatsgefährdung aufgelöst. Um dieses Verbot zu umgehen, ging T. daran, die Mitgl. um die Fachbll. der Eisenbahner zu sammeln und den Mitgl.beitr. über Abonnements einzuheben. 1898 gelang es, die Organisation als Gewerkschafts- und Rechtsschutzver. des österr. Eisenbahnpersonals wieder zu legalisieren. T. war Mitgl. und Vors.-Stellv. der 1893 gegr. Gewerkschaftskomm. (ab 1923 Vors. der Sektion der öff. Angestellten) und Vors.-Stellv. des 1928 gegr. Bunds der Freien Gewerkschaften (bis 1931). 1893 nahm er am 1. internationalen Treffen der Eisenbahner anlässl. des Internationalen Sozialistenkongresses in Zürich und am 2. derartigen Treffen 1894 in Paris teil und war Mitbegründer sowie Exekutivkomiteemitgl. der Internationalen Transportarbeiterföderation (ITF). Ab 1887 Mitgl. der Sozialdemokrat. Partei, gehörte T. ab 1894 der Parteikontrolle an, wurde 1895 in den Parteivorstand gewählt und übernahm nach dem Tod von →Julius Popp dessen Vorsitz, wurde jedoch 1905 von Adler abgelöst. Nach Durchsetzung des gleichen, allg. und direkten Wahlrechts in Österr. 1907 setzte sich T. bis 1918 im RR für die Verbesserung der Lage des Eisenbahnpersonals ein. Er war von Oktober 1918 bis Februar 1919 Mitgl. der prov. Nationalversmlg., von März 1919 bis November 1920 Mitgl. der Konstituierenden Nationalversmlg., von November 1920 bis Oktober 1930 und von Dezember 1930 bis Februar 1934 Abg. zum Nationalrat und Obmann von dessen Verkehrsausschuss; ab 1921 Vors. der Sektion der Verkehrsangestellten in der Wr. Kammer für Arbeiter und Angestellte.

W.: Die Arbeitsverhältnisse der Eisenbahner in Österr. ... 1914–18, in: Die Regelung der Arbeitsverhältnisse im Kriege, ed. F. Hanusch – E. Adler, 1927.
L.: Czeike; B. König, in: Arbeit und Wirtschaft 5, 1927, Sp. 982ff.; Der jugendl. Arbeiter 27, 1928, Nr. 6, S. 6; Jb. des Bundes der Freien Gewerkschaften Österr., 1928–30; Internationales Handwörterbuch des Gewerkschaftswesens 2, ed. L. Heyde, 1932, S. 1691f.; Österreichs Eisenbahner im Widerstand, ed. F. Vogl, 1968, s. Reg.; 80 Jahre Gewerkschaft der Eisenbahner, 1972, S. 75ff. (m. B.); Die Abg. zum Österr. Nationalrat 1918–75 und die Mitgl. des Österr. Bundesrates, 1975, S. 349; A. Magaziner, Die Wegbereiter ..., 1975, S. 56ff. (m. B.); R. Löw, Arbeiterbewegung und Zeitgeschichte im Bild 1867–1938, 1986, S. 488 (m. B.); 100 Jahre Gewerkschaft der Eisenbahner, 1992, S. 60ff. (m. B.); 100 Jahre Gewerkschaftsbewegung, 1993, S. 24f. (m. B.); I. Reiter, G. Harpner (1864–1924), 2008, s. Reg.; Website Parlament Wien (Zugriff 11. 9. 2014); WStLA, Wien.
(S. Lichtenberger)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 401f.
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