Trakl, Georg (1887–1914), Schriftsteller und Apotheker

Trakl Georg, Schriftsteller und Apotheker. Geb. Salzburg (Sbg.), 3. 2. 1887; gest. Krakau, Galizien (Kraków, PL), 3. 11. 1914 (seit 1925 in Innsbruck-Mühlau begraben); evang. AB. Sohn des wohlhabenden Eisenhändlers Tobias T. (geb. Ödenburg/Sopron, H, 11. 6. 1827; gest. Salzburg, 18. 6. 1910) und seiner Frau Maria Catharina T., geb. Halik (geb. Wr. Neustadt, NÖ, 17. 5. 1852; gest. 26. 10. 1925), die 1879 aus Wr. Neustadt nach Salzburg zugewandert waren, sechs Geschwister, u. a. Grete (Margarethe) T., verheiratete Langen (s. u.). – T.s Erziehung und die seiner Geschwister oblag v. a. einer kath. Gouvernante aus dem Elsass, die sie mit der französ. Sprache und Literatur vertraut machte, was sich später im Einfluss von Arthur Rimbauds und Charles Baudelaires Lyrik auf T. widerspiegelte. Das kulturelle Interesse wurde durch Theaterbesuche und Klavierunterricht gefördert. T. besuchte 1897–1905 das Gymn. in der Altstadt, wo er die 4. Kl. wiederholte und darauf mit Gleichgültigkeit der Schule gegenüber reagierte. Er betonte seine literar. Interessen, beschäftigte sich mit Friedrich Nietzsche und schrieb Ged. mit tw. provokantem Inhalt. Als er auch die 7. Klasse wiederholen sollte, entschloss er sich, Apotheker zu werden, und absolv. 1905–08 das dreijährige Praktikum in der Apotheke Zum weißen Engel. 1906 vermittelte →Gustav Streicher die Auff. der zwei Einakter „Totentag“ und „Fata Morgana“ am Salzburger Stadttheater. Wegen des mangelnden Erfolgs von „Fata Morgana“ vernichtete T., der vorübergehend in der Dichtervereinigung Apollo (später Minerva) verkehrte, alle Textbücher. Im selben Jahr erschienen T.s erste Prosatexte („Traumland. Eine Episode“; „Barrabas. Eine Phantasie“) und der dramat. Dialog „Maria Magdalena“ im „Salzburger Volksblatt“. T., der durch seine Tätigkeit in der Apotheke einen erleichterten Zugang zu Veronal, Opium und später auch Kokain hatte, entwickelte einen antibürgerl. Lebensstil zwischen träumer. Anschauung und bedrängender Wirklichkeit. Dem Thema Drogen war er sowohl in der Familie (die Mutter nahm Opium) als auch in der Schule und in der Literatur bereits begegnet. 1908–10 stud. er Pharmazie in Wien, wobei er die Großstadt als bedrohl. empfand, doch wurde ihm das innere Chaos ein wichtiger Antrieb zum Schreiben. Zur gleichen Zeit begann Grete T., die durch ihren Bruder mit Drogen in Berührung kam, eine Ausbildung am Konservatorium. Sein Naheverhältnis zu ihr drückt sich in inzestuösen Bildern mancher seiner Ged. aus. Im Jahr darauf besuchte ihn sein Schulfreund Erhard Buschbeck und versuchte, T.s Ged. zu veröff. Er machte T. auch mit wichtigen Vertretern der Wr. Moderne wie →Adolf Loos, Arnold Schönberg und Oskar Kokoschka bekannt. In der frühexpressionist. Z. „Der Ruf“ erschienen mehrere Ged. von T. Durch den Tod seines Vaters verschlechterten sich jedoch seine materiellen Verhältnisse; Geldsorgen ließen ihn von da an nicht mehr los. Nach seinem Einjährig-Freiwilligen-Jahr 1911 in Wien arbeitete er kurz in der Apotheke Zum weißen Engel in Salzburg und traf sich mit Gleichgesinnten der Literatur- und Kunstges. Pan. Durch Buschbeck kam T. mit Ludwig v. Ficker, dem Gründer und Hrsg. der HalbMS „Der Brenner“, in Verbindung. Bereits im ersten Mai-H. 1912 erschien „Vorstadt im Föhn“ als erstes von insgesamt 65 Ged.; Ficker wurde damit zu T.s wichtigstem Förderer. I. d. F. gab T. seine Stelle in der Innsbrucker Garnisonsapotheke, die er erst 1912 angetreten hatte, auf und bemühte sich 1913 mehrmals um einen Posten im Staatsdienst in Wien. Zweimal arbeitete er jeweils nur für wenige Tage, denn sein ganzes Interesse galt dem Dichten. Im selben Jahr erschien T.s erster Lyrikbd. „Gedichte“ im Kurt Wolff Verlag in Leipzig und Ende des Jahres hielt er seine einzige öff. Lesung in Innsbruck. Zu dieser Zeit arbeitete er bereits an seinem zweiten Ged.bd. „Sebastian im Traum“, der erst posthum 1915 erschien. Im März 1914 besuchte T. in Berlin seine Schwester, die nach einer Fehlgeburt erkrankt war. Danach kehrte er völlig verstört nach Innsbruck zurück und plante, als Apotheker nach Borneo oder Albanien zu gehen. Aufgrund des Kriegsausbruchs konnte er eine großzügige Spende Ludwig Wittgensteins nicht mehr nützen. T. meldete sich zum Militär und rückte als Medikamentenakzessist Ende August mit einer San.kolonne an die Ostfront ein. In der Schlacht von Gródek begegnete er erstmals der Grausamkeit des Kriegs. T. hatte ohne ärztl. Hilfe an die 90 Schwerverwundete zu versorgen. Nach einer Selbstmorddrohung wurde er in das Garnisonsspital in Krakau eingeliefert, wo er im September 1914 das Ged. „Grodek“ schrieb. Ficker versuchte vergebl., die Entlassung des Freunds zu erreichen, woraufhin T. ein briefl. Testament schrieb, dem er seine letzten Ged. „Klage“ und „Grodek“ beilegte. Eine Kokainvergiftung führte zum Tod. T. wurde zwei Tage später in Krakau beigesetzt; 1925 veranlasste Ficker die Überführung nach Innsbruck. T.s Schwester Grete (Margarethe) T. (geb. Salzburg, 8. 8. 1892; gest. Berlin, Dt. Reich/D, 21. 11. 1917; Selbstmord), die 1908/09 bei Paul de Conne Klavier am KdM in Wien (ohne Abschluss) und bei Ernst v. Dohnányi in Berlin stud., verfiel immer mehr den Drogen. Nach dem Tod des Vaters übernahm zuerst zusammen mit der Mutter der älteste Bruder Wilhelm T. ihre Vormundschaft, danach T., in dessen Ged. sie häufig erscheint. Noch minderjährig, heiratete Grete T. 1912 den Buchhändler Arthur Langen (geb. Berlin, 13. 1. 1858); 1916 wurde ihre Ehe geschieden. Zuletzt hoch verschuldet, erschoss sie sich. Der Ort ihres Grabs ist unbekannt.

Weitere W.: Die Dichtungen, 1918; Dichtungen und Briefe, ed. W. Killy – H. Szklenar, 2 Bde., 1969; Sämtl. Werke und Briefwechsel, ed. E. Sauermann – H. Zwerschina, 5 Bde., 1995–2014. – Teilnachlässe: Forschungsinst. Brenner-Archiv, Innsbruck, Tirol; G. T.-Forschungs- und Gedenkstätte, Salzburg, Sbg.; Yale Univ., New Haven, CT, USA; Privatbesitz.
L.: L. v. Ficker, Erinnerung an G. T., 1926; G. T. in Zeugnissen der Freunde, ed. W. Schneditz, 1951; W. Killy, Über G. T., 1967; H.-G. Kemper, G. T.s Entwürfe, 1970; H. Wetzel, Konkordanz zu den Dichtungen G. T.s, 1971; H. Zwerschina, Die Chronol. der Dichtungen T.s, 1990; H. Weichselbaum, G. T. Eine Biographie …, 1994; W. Methlagl, in: Frühling der Seele. Pariser T.-Symposion, ed. R. Colombat – G. Stieg, 1995, S. 81ff.; A. Doppler, Die Lyrik G. T.s, 2001; H. Weichselbaum, in: Androgynie und Inzest in der Literatur um 1900, ed. ders., 2005, S. 43ff.; G. T. und die literar. Moderne, ed. K. Csúri, 2009; G. Kleefeld, Mysterien der Verwandlung. Das okkulte Erbe in G. T.s Dichtung, 2009; R. Millington, Snow from Broken Eyes. Cocaine in the Lives and Works of Three Expressionist Poets, 2012, S. 225ff.; G. Wacker, Poetik des Prophetischen …, 2013, S. 256ff. – Grete T.: L. A. McLary, in: Modern Austrian Literature 33, 2000, S. 29ff.; Ch. S. Chiu, Women in the shadows, 2008, S. 55ff.; M. Bax, Immer zu wenig Liebe. Grete T., 2014; Univ. für Musik und darstellende Kunst, Wien.
(H. Weichselbaum)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 421ff.
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