Trauttmansdorff-Weinsberg, Josef Gf. zu (1894–1945), Gutsbesitzer und Widerstandskämpfer

Trauttmansdorff-Weinsberg Josef Gf. zu, Gutsbesitzer und Widerstandskämpfer. Geb. Schloss Fridau (Ober-Grafendorf, NÖ), 30. 6. 1894; gest. St. Pölten (NÖ), 13. 4. 1945 (hingerichtet); röm.-kath. Enkel von →Ferdinand Gf. zu T.-W. d. J., Sohn des Kämmerers und Rtm. Karl (Carl) Ferdinand Gf. zu T.-W. (geb. Wien, 24. 3. 1864; gest. Pressbaum, NÖ, 4. 1. 1910) und dessen Ehefrau Marie Theresia Gfn. zu T.-W., geb. Gfn. Colloredo-Mannsfeld (geb. Dobřisch, Böhmen / Dobříš, CZ, 5. 8. 1869; gest. Vomp, Tirol, 27. 2. 1960), Sternkreuzordensdame und Urenkelin von →Ferdinand Gf. Colloredo-Mannsfeld, Bruder von Ferdinand Gf. zu T.-W.; ab 1932 verheiratet mit Helene (Ellie) Freiin Economo v. San Serff (geb. London, GB, 1. 6. 1908; gest. St. Pölten, 13. 4. 1945, hingerichtet); drei Kinder. – T. maturierte 1912 am Staatsgymn. in Mähr. Weißkirchen (Hranice). Im 1. Weltkrieg kämpfte er als Aufklärungsflieger an der Ostfront; zuletzt Obstlt. 1919–22 stud. er Landwirtschaft an der Univ. Halle, danach war er als Gutsverwalter der Familie Colloredo in Böhmen tätig. 1932 übernahm er von seinem plötzl. verstorbenen Bruder Ferdinand T. das überschuldete Schlossgut Pottenbrunn bei St. Pölten sowie die Vormundschaft über dessen vier unmündige Kinder. Die Herrschaft Pottenbrunn, zu der auch ein Renaissance-Wasserschloss gehörte, hatte Ferdinand 1926 erworben. Zu Beginn des 2. Weltkriegs wurde T. zur Wehrmacht eingezogen, später aber unabkömml. gestellt. Mitte 1943 gründete der stellv. Polizeidir. von St. Pölten, Reg.Rat Dr. Otto Kirchl, eine lokale Widerstandsgruppe, die v. a. aus St. Pöltner Polizisten, Arbeitern der Glanzstoff-Fabrik und Bauern aus St. Pölten und Umgebung bestand. Bald gehörten dieser Organisation, die später als Gruppe Kirchl-Trauttmansdorff in die Literatur einging, auch T. und seine Gattin an. Der Kontakt dürfte durch Kirchls Ehefrau hergestellt worden sein, die wie Helene T. ebenfalls einst in Triest beheimatet gewesen war. Als sich die sowjet. Truppen St. Pölten näherten, war es das Ziel der Gruppe, die Mitgl. der Gestapo-Außenstelle St. Pölten in einem Handstreich zu verhaften, die Sprengung der Brücken über die Traisen zu verhindern und die Stadt möglichst ohne Zerstörungen kampflos zu übergeben. Anfang April 1945 belauschte Franz Brantner, ein Magazineur der Glanzstoff-Fabrik, der als Spitzel für die Gestapo-Außenstelle St. Pölten tätig war, ein Gespräch von Angehörigen der Widerstandsgruppe, wobei er auch Kenntnis von geheimen Losungswörtern erhielt. I. d. F. wurde Schloss Pottenbrunn von der Waffen-SS umstellt und T. von St. Pöltner Gestapobeamten verhaftet und gefoltert. Seine Frau wurde ebenfalls inhaftiert. Zwei Tage später wurde T. in einer von OLGR Dr. Viktor Reindl und Gen.staatsanwalt Dr. Johann Karl Stich geleiteten Standgerichtsverh. gem. mit seiner Ehefrau und zehn weiteren Mitgl. der Widerstandsgruppe zum Tod verurteilt und noch am selben Tag im St. Pöltner Hammerpark exekutiert.

L.: Widerstand und Verfolgung in NÖ 1934–45, 2, bearb. H. Arnberger – Ch. Mitterrutzner, 1987, s. Reg.; K. Reiter, Der organisierte Widerstand gegen den Nationalsozialismus in St. Pölten und Umgebung 1938–45, 1996, S. 112ff.; M. Wieninger, St. Pöltner Straßennamen erzählen, 2002, S. 204f.; Gedenken und Mahnen in NÖ, ed. H. Arnberger – C. Kuretsidis-Haider, 2011, S. 447ff.; Archiv der städt. Bestattung, Stadtarchiv, beide St. Pölten, NÖ; UA, Halle an der Saale, D; Mitt. Johannes Trauttmansdorff, St. Pölten, NÖ.
(M. Wieninger)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 437f.
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