Tschallener, Johann Nikolaus (1783–1855), Mediziner

Tschallener Johann Nikolaus, Mediziner. Geb. Prenner (Ischgl, Tirol), 15. 1. 1783; gest. Hall (Hall in Tirol, Tirol), 14. 5. 1855. Sohn eines Tischlers; verheiratet mit Crescenz T., geb. Mohr. – Nach Besuch des Gymn. absolv. T. 1801–03 die phil. Jgg., stud. ab 1803 Theol. in Innsbruck, ab 1805 Med. und wurde Ass. des Chirurgen Johann Nepomuk Keesbacher; 1809 Dr. med. T. agierte während der Tiroler Freiheitskämpfe als Freiwilliger in der akadem. Studentenkomp. und praktizierte in Innsbruck als Lazarettarzt im sog. Prügelbau sowie im Servitenkloster. Als Vermittler erwirkte er 1809 beim bayer. Militär eine Amnestie für aufständ. Paznauntaler. Ab September 1809 Landarzt im Paznauntal, fungierte er später als Gerichtsarzt in Landeck und wurde 1819 als Distriktsarzt nach St. Johann in Tirol berufen. 1831 richtete er zur Eindämmung der Cholera die Quarantäneanstalt in Litzlfelden bei Kirchdorf in Tirol ein und hatte deren ärztl. und sanitätspolizeil. Leitung inne. 1833 Kreisarzt in Schwaz, übernahm T. 1834 die Leitung der Prov.-Irren-Heilanstalt in Hall, wo er als Dir. und Primararzt bis zu seiner Pensionierung 1853 wirkte. T.s psychiatr. Konzept orientierte sich an den ärztl. Vorbildern Johann Christian Heinroth und Philippe Pinel. Paternalist.-autoritärer Wechsel von Strenge, Milde, Furcht und Gehorsam bildeten für T. die Basis des Heilerfolgs. Das med. Behandlungskonzept bestand aus einer Kombination von psycholog.-pädagog. Maßnahmen sowie med. Kuren. T. ließ Anstaltswerkstätten für Patienten errichten, um einen streng geregelten Tagesablauf zu garantieren. In seine Dion.zeit fällt auch der Neubau der sog. Tobabteilung (1845). T. beschäftigte sich mit der Berufsausbildung des Anstaltspersonals, beteiligte sich publizist. am Fachdiskurs und erfand diverse mechan. Vorrichtungen für die Krankenpflege, darunter das Modell einer Schwebematte (1839), das er dem Tiroler Landesmus. Ferdinandeum schenkte. Sozial engagiert, übernahm T. für 14 Jahre die unentgeltl. med. Versorgung des Kaiserjäger-Rgt.erziehungshauses und fungierte als Initiator eines Unterstützungsfonds für entlassene Pfleglinge. 1853 erhielt er das Goldene Verdienstkreuz mit der Krone. Er war k. M. der Ges. der Ärzte in Wien, der med.-physikal. Ges. in Erlangen, Mitgl. des geognost.-montanist. Ver. sowie des Tiroler Landesmus. Ferdinandeum, dem er auch eine Beschreibung des Paznauntals (1855) vermachte.

W. (s. auch Kreuter): Krankenbettstatt, 1841; Beschreibung der k. k. Prov.-Irren-Heilanstalt zu Hall in Tirol, 1842; Beschreibung und Anwendung der Krankenbettstatt Nro. II, 1845; etc.
L.: Bote für Tirol, 5., 6., 9. 6. 1855; Kreuter (m. W.); Wurzbach; G. Egger, Irren-Geschichte – irre Geschichten, phil. DA Innsbruck, 1999, S. 53ff.; M. Heidegger, in: Who Cares? Betreuung und Pflege in Österr. Eine geschlechterkrit. Perspektive, ed. E. Appelt u. a., 2010, S. 87ff.; Psychiatr. Landschaften, ed. E. Dietrich-Daum u. a., 2011, S. 49ff., 71ff. (m. B.); B. Rathmayr, Armut und Fürsorge, 2014; UA, Innsbruck, Tirol.
(B. Thaler)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 482
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