Tschuggmall, Christian Josef (1785–1845), Mechaniker, Erfinder und Schausteller

Tschuggmall Christian Josef, Mechaniker, Erfinder und Schausteller. Geb. Wenns (Tirol), 19. 1. 1785; gest. Michelstadt, Hessen (D), 26. 11. 1845. Sohn des Fleischers und Tierarztes Simon T. und seiner Frau Magdalena T., geb. Hackl; verheiratet mit Elisabeth T., geb. Posch (gest. 1839). – Während einer harten Kindheit und Jugend, in der er nur drei Monate die Schule besuchen konnte, eignete sich T. autodidakt. Kenntnisse der Schnitzerei und Mechanik an. Er wurde ein geschickter Kunsttischler und arbeitete als Maschinist in der Baumwollspinnerei Strehle in Imst. 1809 beteiligte er sich als Hptm. der Wenner Komp. am Tiroler Freiheitskampf, wobei er von Andreas Hofer zu wichtigen Sendungen verwendet worden sein soll. Spätere Versuche, als Tischler, Drechsler, Büchsenmacher und Uhrmacher an verschiedenen Orten, u. a. in der Schweiz, Fuß zu fassen, verhinderten die Zunftordnungen, da T. keinen Lehr- bzw. Meisterbrief hatte. Aufgrund von Schicksalsschlägen (Überfälle, Verschüttung durch Lawine, Unwetter etc.) verlor er zudem wiederholt seinen Besitz. Schließl. ließ er sich in Vahrn (Varna) bei Brixen nieder, wo er als Drechsler und Seifensieder arbeitete. Durch seinen Schwager, den Kapuzinerpater Josef Posch, kam T. in Kontakt mit Fürstbischof Franz Karl Gf. v. Lodron. Dieser riet ihm, nachdem er die mechan. Figuren →Mat(t)hias Tendlers gesehen hatte, zum Bau eines Automatentheaters, um damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. T., der Tendlers Figuren nicht aus eigener Anschauung gekannt haben soll, begann 1820 mit der Herstellung seines ersten Halbautomaten, einer Figur, die sich selbst Wein einschenkte und austrank, dann konstruierte er in mehrjähriger Arbeit einen Seiltänzer, der verschiedene Kunststücke ausführen konnte. Eine Reihe weiterer Figuren (mehrere Bajazzos, Pierrot, Kellnerin, der „kleine Tiroler“, Kunstreiter auf Pferd, Minerva, Madame Blondin etc.) sowie ein Teich mit zwei mechan. Schwänen folgten. Alle nötigen Schlosser-, Bildhauer- und Uhrmacherarbeiten führte T. selbst aus. Seine sog. Automaten waren zwischen 30 und 60 cm hoch, aus verschiedenen Hölzern und Metallen gefertigt und boten diverse Spielmöglichkeiten (Ausführung von Gehbewegungen, Kopfnicken, Augenbewegungen etc.). Die Bewegungsübertragung erfolgte über Seilzüge und Kurbeln in Kombination mit Zahnrädern und Wellen. Nach der erfolgreichen ersten Vorführung seines „Mechanischen Kunsttheaters“ in Brixen 1828 ging T. mit seiner Familie in einem selbst gebauten Wagen auf Reisen, die ihn u. a. nach Oberitalien, Süddtld., Polen und Russland führten. Auch vor K. →Franz (II.) I. und an anderen Residenzen trat er auf. Zeitgenöss. Berr. betonen die Natürlichkeit der Bewegungen von T.s Figuren, die wiederholt jenen Tendlers vorgezogen wurden. Während sich die Auff. beider inhaltl. ähnelten (artist. Kunststücke, unterbrochen durch burleske Szenen), war der Mechanismus von T.s Arenafiguren weit aufwendiger und bot ein größeres Repertoire an Bewegungen. T.s unterhaltsame Spielweise (er sprach zu den Figuren) scheint deren natürl. Wirkung noch verstärkt zu haben; sein Theater war eines der besten und bekanntesten seiner Zeit. Nach T.s Tod folgten ihm seine Kinder in der Schaustellerei: Während sich Josef T. mit einem eigenen Automatentheater selbstständig machte, unternahm Elise T., verheiratete Juliano, mit ihrem Mann und weiteren Geschwistern bis 1870 Kunstreisen mit dem väterl. Theater, das sie um ein bewegl. Panorama der Brennerbahn ergänzten. 1886 verkauften sie es an Michael August Schichtl. Mehrere Figuren T.s sind erhalten geblieben und befinden sich in der Puppentheatersmlg. des Münchner Stadtmus.

L.: Wurzbach; S. M. Prem, in: Teutonia 15, 1915, S. 1ff.; R. Huber, in: Der Schlern 2, 1921, S. 383ff.; E. Attlmayr, Tiroler Pioniere der Technik, 1968, S. 75ff. (m. B.); B. Kurz, in: Das Fenster 22, 1988, S. 4294ff. (m. B.); St. Poser, Die Automatenfiguren von M. Tendler und C. T., phil. DA Wien, 1991; J. Hosp, T. oder Das Leben der Maschinen. Roman, 1995 (m. B.); Mitt. Susan Breitenbach, Michelstadt, D.
(E. Offenthaler)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 493f.
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