Türk, Wilhelm (1871–1916), Mediziner

Türk Wilhelm, Mediziner. Geb. Wiese, Schlesien (Zátor-Loučky, CZ), 2. 4. 1871; gest. Wien, 20. 5. 1916; röm.-kath. Sohn des Karl T. (s. u.). – Nach Absolv. des Gymn. in Troppau (Opava) 1889 stud. T. Med. an der Univ. Wien; 1895 Dr. med. Während seiner Ass.zeit an der 2. med. Klinik im AKH bei →Edmund v. Neusser 1897–1904 begann er sich für das Fachgebiet der Hämatol. zu interessieren und habil. sich 1903 als Priv.Doz. für innere Med. Ab 1905 war er als Primararzt an der 2. med. Abt. des K.-Franz-Joseph-Spitals in Wien tätig. Nach krankheitsbedingten Ausfällen Neussers suppl. T. 1912 immer wieder die 2. med. Univ.klinik, wurde für dessen Nachfolge jedoch nicht berücksichtigt. 1912 Tit., 1915 ao. Prof., übernahm er in diesem Jahr auch die Leitung der Infektionsabt. des an das K.-Franz-Joseph-Spital angegliederten Kriegsspitals. T. galt als führende Autorität auf dem Gebiet der Hämatol. Er beschäftigte sich intensiv mit der Histol. des menschl. Bluts, mit der Pathol. des Kreislaufs sowie mit der (mikroskop.) Technik von Blutuntersuchungen. Als einer der Ersten beschrieb er das Krankheitsbild der Polyzythämie, die Veränderungen des Blutbilds beim Pfeifferschen Drüsenfieber sowie das bisher unbekannte Krankheitsbild nach einer Hefeinfektion der Meningen. Darüber hinaus untersuchte er die Ursache und forschte nach Therapien von Leukämie. Von ihm stammt die Verbesserung der Leukozytenzählung mit der sog. T.schen Lösung zum Färben von Blutausstrichen sowie der Zählkammer (T.sche Kammer), eines Präzisionsmessgeräts zur Bestimmung der Teilchenzahl pro Volumeneinheit in einer Flüssigkeit. T. publ. eine Reihe von Fachartikeln. Erwähnenswert sind seine 1898 verf. Arbeit „Klinische Untersuchungen über das Verhalten des Blutes bei acuten Infectionskrankheiten“, die er später auch als Habil.schrift einreichte, sowie sein zweibändiges Monumentalwerk „Vorlesungen über klinische Hämatologie“ (1904–12), das u. a. erstmals die Beschreibung der sog. T.schen Reizformen des weißen Blutbilds enthielt; der dritte Tl. dieses Werks blieb unvollendet. Seit 1975 wird der W. T.-Preis der Österr. Ges. für Hämatol. und Onkol. verliehen. Sein Vater Karl T. (geb. Jägerndorf, Schlesien / Krnov, CZ, 1840; gest. Hillersdorf, Schlesien / Holčovice, CZ, 30. 4. 1908), Sohn eines Tuchmachergehilfen, wurde an der med.-chirurg. Akad. in Olmütz (Olomouc) zum Wund- und Geburtsarzt ausgebildet, arbeitete zunächst als Arzt und bewirtschaftete später ein durch Heirat erworbenes Bauerngut. Nachdem er dieses an seinen Sohn übergeben hatte, war er ab 1891 als Gmd.arzt in Hillersdorf tätig. Er saß 1885–90 und 1897–1901 als Abg. im schles. LT und im RR, wo er sich als Anhänger →Georg v. Schönerers dem dt.radikalen Lager anschloss. Als sich nach der Verurteilung Schönerers und der Aberkennung seines Abg.mandats 1888 viele seiner Gesinnungsgenossen den Christl.sozialen unter →Karl Lueger zuwandten, scharte sich der radikal deutsch-nationale Flügel der Schönerianer um T. Dieser war auch Mitgl. des Schulver. für Deutsche und zeitweise Vors. des Dt. Volksver. von Wien.

Weitere W.: Ueber Leukocytenzählung, in: WKW 15, 1902; Ein System der Lymphomatosen, ebd. 16, 1903; Ein Fall von Hefeinfektion (Saccharomykose) der Meningen, in: Dt. Archiv für klin. Med. 90, 1907; etc. – Ed.: E. v. Neusser, Über Anämien, 1914.
L.: NFP, 23. 2. 1915 (A.), 21. 5. 1916; Czeike; Fischer; Inauguration Univ. Wien 1916/17, 1916, S. 50ff.; H. Lehndorff, in: blood 9, 1954, S. 642ff. (m. B.); M. Jantsch, in: Das Med. Laboratorium 24, 1971, S. 285ff.; G. Schmidt, in: WKW 103, 1991, S. 466; K. H. Tragl, Chronik der Wr. Krankenanstalten, 2007, S. 362; UA, Wien. – Karl T.: NFP, 30. 4. 1908 (A.); Anhang zu der Smlg. der „Beschlüsse des schlesischen Landtages ... 1861–1902“, 1905, S. LI; M. Wladika, Hitlers Vätergeneration, 2005, s. Reg.
(D. Angetter – H. Bergmann)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 503f.
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