Tuma, Henrik (Heinrich) (1858–1935), Politiker, Anwalt, Volksbildner und Alpinist

Tuma Henrik (Heinrich), Politiker, Anwalt, Volksbildner und Alpinist. Geb. Laibach, Krain (Ljubljana, SLO), 9. 7. 1858; gest. ebd., 10. 4. 1935; röm.-kath. Sohn des Schuhmachers Mathias T. – Nach sechs Kl. Gymn. musste T. dieses aufgrund eines Streits mit dem Religionslehrer verlassen, absolv. eine Lehrerausbildung und unterrichtete 1876–79 in Adelsberg (Postojna). Er holte die Matura 1881 in Triest nach und stud. anschließend bis 1885 Rechtswiss. an der Univ. Wien; 1888 Prom. 1887 war T. als Praktikant am Landesgericht Triest tätig. Nach der Richteramtsprüfung 1890 in Triest wurde er zum Richter in Tolmein (Tolmin) ernannt; 1901 Rechtsanwaltsprüfung. I. d. F. war er als Anwalt tätig, zunächst in Görz (Gorizia), von 1924 bis zu seinem Tod in Laibach. Die polit. Bühne betrat T. 1895, als er für die liberale Vereinigung Sloga kandidierte und in den LT von Görz und Gradisca gewählt wurde. 1897 gründete er die Genossenschaft für Handel und Gewerbe (Trgovsko-obrtna zadruga), 1900 fungierte er als Mitbegründer der liberalen Fortschrittl. Volkspartei (Narodno napredna stranka), für die er 1901 wieder in den LT einzog. Die gleichberechtigte Verwendung der slowen. Sprache in allen gesellschaftl. Bereichen war ihm stets oberstes Anliegen, für das er sich auch als LT-Abg. und Landesausschussmitgl. vehement einsetzte. Für Triest schlug T. eine zweisprachige (italien.-slowen.) Univ. vor. 1907 veröff. er die Schrift „Jugoslovanska ideja in Slovenci“. 1908, 1909 und 1913 war T. Kandidat der Sozialdemokrat. Partei für den LT. Er leitete fortan die slowen. Regionalorganisation der Jugoslaw. Sozialdemokrat. Partei (Jugoslovenska socialdemokratska stranka) und wollte auch kleine Gewerbetreibende und Bauern für die sozialist. Bewegung gewinnen. Von Beginn seines polit. Engagements an verhielt sich T. krit. gegenüber dem klerikalen und später auch dem liberalen Lager. In der sozialist. Z. „Naši zapiski“, deren Chefred. er 1913 wurde, veröff. T. zahlreiche Beitrr. zu aktuellen polit. und gesellschaftl. Fragen sowie u. a. zu den Themen Sozialismus, Ethik, Religion, Phil. und Sexualität. Für die 1917 in Stockholm geplante internationale sozialist. Friedenskonferenz verf. er ein 75-seitiges Memorandum, das die Herstellung der Einheit der Slowenen, Kroaten und Serben im Rahmen eines Alpen-Donau-Balkan-Staatenbunds forderte. Dieser Standpunkt war dem →Karl Renners diametral entgegengesetzt. T. verkündete 1919 den Beitritt der Sozialisten des Küstenlands zur italien. sozialist. Partei, opponierte 1920 offen gegen extreme Standpunkte der russ. Sozialisten und zog sich schließl. aus der Parteipolitik zurück, um wieder vermehrt als Vortragender für Arbeiter- und Volksbildungsver. sowie publizist. für eine Vielzahl von Z. tätig zu sein. Nachdem ihm die italien. Staatsbürgerschaft aus polit. Gründen verwehrt worden war, wirkte T. ab 1924 als Anwalt und unabhängiger sozialist. Publizist in Laibach. Als Alpinist gelangen T. einige Erstbesteigungen in den Julischen Alpen. Er untersuchte die topograph. Terminol. dieses Gebiets sprachl.-etymolog. und vertrat auf Grund dieser Stud. einen slowen. Autochthonismus, der heute von den meisten Historikern als nationaler Ursprungsmythos abgelehnt wird. Als interessantes zeithist. Dokument gilt T.s posthum erschienene Autobiographie „Iz mojega življenja“ (1937, Nachdruck 1997; italien. 1994). Sein Nachlass mit einer umfangreichen Korrespondenz und Bibl. (mehr als 4.000 Titel) wird vom Znanstvenoraziskovalni center Slovenske akademije znanosti in umetnosti in Nova Gorica als T.-Archiv verwaltet.

Weitere W. (s. auch Strojin): Die nationale Grenze zwischen Slowenen und Italienern, in: Der Kampf. Sozialdemokrat. MS 11, 1918; Triest, ebd.; Zur südslaw. Frage, ebd.; Imenoslovje Julijskih Alp, 1929; Pomen in razvoj alpinizma, 1930; Pisma. Osebnosti in dogodki (1893–1935), 1994; Stockholmska spomenica H. T., ed. F. Rozman – B. Marušič, 2011; etc.
L.: Slovenski in italijanski socialisti na Primorskem 1900–18 / Socialisti sloveni e italiani nel Litorale, 1979; T. Strojin, Dr. H. T. ..., 2. Aufl. 2008 (m. B. u. W.); P. Kolenc, Dr. H. T. (1858–1935) in njegova knjižnica, 2008 (m. B.); dies., Kat. knjižnice dr. H. T., 2008 (m. B.); A. Rahten, in: PILAR – Časopis za društvene i humanističke studije 4, 2009, Nr. 7–8, S. 123ff.; UA, Wien.
(M. Reichmayr)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 509f.
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