Tusch, Maria; geb. Pirtsch (1868–1939), Funktionärin, Politikerin und Arbeiterin

Tusch Maria, geb. Pirtsch, Funktionärin, Politikerin und Arbeiterin. Geb. Klagenfurt (Klagenfurt am Wörthersee, Ktn.), 1. 12. 1868; gest. ebd., 25. 7. 1939; röm.-kath., ab 1920 konfessionslos. Unehel. Tochter eines Bauhilfsarbeiters, Knechts und Taglöhners und einer Magd, die sieben Kinder großzog und daneben noch weitere Pflegekinder in ihre Obhut nahm, Schwester von Vera T., die mit einem Belgrader Regierungsmitgl. verheiratet war und mit der sie fallweise korrespondierte; verheiratet mit dem Eisenbahner Anton T. (geb. Kranzelhofen/Kranzlhofen, Ktn., 7. 7. 1869). – Mit sieben Jahren kam T. in die kath. Mädchen-Erziehungsanstalt in Maria Saal, wo sie die Elementarschule absolv. Bereits ab dem 12. Lebensjahr arbeitete sie in der Klagenfurter Tabakfabrik. Dort begann sie sich polit. zu engagieren und aktiv am Kampf der Arbeiterschaft um polit. Partizipation teilzunehmen, wobei die intensivsten Auseinandersetzungen in die Phase zwischen 1890 und dem Beginn des 1. Weltkriegs fielen. T. hatte wesentl. Anteil am Aufbau gewerkschaftl. Strukturen und entwickelte sich in der Fabrik ebenso wie im urbanen Umfeld zu einer für ihre intelligenten Lösungen und ihr Engagement für sozial Benachteiligte geschätzten und bekannten Funktionärin. Nach den Wahlen zur Konstituierenden Nationalversmlg. im Februar 1919 zog T. an der Seite von →Florian Gröger, Josef Gabriel und Georg Hubmann für die Ktn. SDAP als Abg. in den Nationalrat ein und entwickelte sich zur blendenden Rhetorikerin, die in ihren Reden stets die Einzelschicksale hinter den anstehenden Problemen sichtbar machte. Engagierte sie sich zunächst für Kriegsversehrte und die Versorgung der Not leidenden Bevölkerung sowie für die soziale Besserstellung von Arbeiterinnen und Müttern, wurde sie zunehmend auch als Expertin in Fragen des Tabakmonopols geschätzt. T. erwarb sich weit über die Parteigrenzen hinaus Ansehen und Anerkennung und entfaltete während der 1920er-Jahre in Ktn. im Umfeld der Arbeiterkammer eine bedeutende volksbildner. Wirkung, speziell für junge Frauen. In ihren Vorträgen trat sie für polit. und geistige Freiheit, Gleichberechtigung aller Staatsbürger sowie den Kampf für ein menschenwürdiges Dasein ein. Ihre letzte parlamentar. Zusammenkunft erlebte T. im März 1933, unmittelbar vor der „Selbstausschaltung“ des Parlaments.

L.: G. Hauch, Vom Frauenstandpunkt aus. Frauen im Parlament 1919–33, 1995, s. Reg. (m. B.); V. Jobst, M. T. – Lebensbild einer Tabakarbeiterin, 1999.
(V. Jobst)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 18
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