Twardowski (von Skrzypna Ogończyk), Kasimir (Kazimierz) (1866–1938), Philosoph und Psychologe

Twardowski (von Skrzypna Ogończyk) Kasimir (Kazimierz), Philosoph und Psychologe. Geb. Wien, 20. 10. 1866; gest. Lwów, Polen (L’viv, UA), 11. 2. 1938; röm.-kath. Sohn des Beamten und Proponenten des Wr. Polentums Pius T. (v. S. O.) (geb. Porchowa, Galizien / Porochova, UA, 10. 7. 1828; gest. Lemberg, Galizien / L’viv, UA, 1. 8. 1906) und der Apothekerstochter Malwina T. (v. S. O.), geb. Kuhn (1844–1932), Bruder von →Juliusz T. (v. S. O.), Cousin von →Bolesław Twardowski; ab 1892 mit Kazimiera T. (v. S. O.), geb. Kołodziejska, verheiratet. – T. besuchte das Theresianum und stud. 1885–89 u. a. als Schüler von →Franz Brentano Phil. an der Univ. Wien. 1892 wurde er mit der erkenntnistheoret. Untersuchung „Über den Unterschied zwischen der klaren und deutlichen Perception und der klaren und deutlichen Idee bei Descartes“ prom. und ging anschließend mit einem Stipendium nach Leipzig, wo er bei Wilhelm Wundt experimentelle Psychol. hörte, sowie nach München. 1892–95 arbeitete T. zeitweilig im Mathemat. Büro der Lebensversicherungsanstalt des Allg. Beamtenver. in Wien. 1894 wurde er an der Univ. Wien mit der Schrift „Zur Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorstellungen. Eine psychologische Untersuchung“ (Reprint 1982; engl. „On the Content and Object of Presentations“, 1977) habil. und nahm dort seine Tätigkeit als Priv.Doz. auf. 1895 erfolgte seine Berufung als ao. Prof. an die Univ. in Lemberg (1898 o. Prof., 1900/01 Prodekan, 1905/06 Dekan der phil. Fak., 1914–17 Rektor). T., den mit →Edmund Husserl ein philosophiegeschichtl. bedeutendes Verhältnis der wechselseitigen Beeinflussung verband, gilt als Gründer der Lemberg-Warschauer Schule. Im Sinne Brentanos legte er Wert auf möglichste Präzision und Exaktheit im Denken und im Ausdruck des Gedachten sowie auf möglichst erschöpfende Begründung des Vorgebrachten und größtmögliche Stringenz der Beweisführung. T. hatte diverse universitäre und außeruniversitäre organisator. Funktionen inne, so gründete er 1904 die Poln. Phil. Ges. (Polskie Towarzystwo Filozoficzne), 1907 ein Laboratorium für experimentelle Psychol. und 1911 die Fachzeitschrift „Ruch Filozoficzny“. Auf ihn geht jedoch beispielsweise auch die Gründung des ersten Mädchengymn. in Lemberg zurück. T. war u. a. Mitgl. der PAU.

Weitere W.: s. Filozofia w Polsce; Słownik psychologów polskich; Enz. Phil. und Wiss.theorie; Brożek.
L.: Filozofia w Polsce. Słownik pisarzy, 1971 (m. B. u. W.); The Vienna Circle and the Lvov-Warsaw School, ed. K. Szaniawski, 1989, s. Reg.; K. T., Selbstdarstellung, ed. J. Wolenski, in: Grazer phil. Stud. 39, 1991, S. 1ff.; Słownik psychologów polskich, red. E. Kosnarewicz u. a., 1992 (m. W.); Enz. Phil. und Wiss.theorie 4, 2010 (m. W.); A. Brożek, K. T. Die Wr. Jahre, 2011 (m. B., auch von Malwina und Pius T., u. W.); Stanford Enc. of Philosophy (online, Zugriff 28. 4. 2015); UA, Wien.
(E. Hüttl-Hubert)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 27f.
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