Úlehla, Vladimír (1888–1947), Biologe, Ethnologe und Philosoph

Úlehla Vladimír, Biologe, Ethnologe und Philosoph. Geb. Wien, 16. 7. 1888; gest. Brno, Tschechoslowakei (CZ), 3. 7. 1947. Sohn des Mathematikers und Pädagogen Josef Ú. (1852–1933) und der Pianistin Emma Ú., geb. Schmidt, Vater des Pflanzenbiologen Jiří Ú. (1924–2009), Onkel des theoret. Physikers und Prof. an der Univ. Prag Ivan Ú. (1921–2004); ab 1921 mit Marta Ú., geb. Pospíšilová (1901–1977), ab 1940 mit der Tänzerin und Ethnographin Marie (Maryna) Ú., geb. Hradilová (1903–1977), verheiratet. – Ab 1899 besuchte Ú. das Gymn. in Brünn, 1907 maturierte er am Gymn. in Straßnitz bei Göding und inskribierte Biol. bei Bohumil Němec an der phil. Fak. der tschech. Univ. in Prag. Ab 1908 stud. er Botanik, Chemie und Physik an der Univ. Straßburg, u. a. bei dem Pflanzenphysiologen Ludwig Jost; 1911 Dr. phil. Nach seiner Rückkehr nach Prag arbeitete Ú. ein Jahr lang bei Němec als Demonstrator am Inst. für Pflanzenphysiol., 1912/13 widmete er sich bei Wilhelm Pfeffer an der Univ. Leipzig dem Stud. der Schlingbewegung von Pflanzen. 1913 trat er in Wien den Militärdienst an, wo er des Panslawismus beschuldigt und in Möllersdorf bei Traiskirchen in Haft genommen wurde. 1916 rehabilitiert, diente er bis Kriegsende in Innsbruck, Agram und an der italien. sowie französ. Front. 1919–21 Ass. an der naturwiss. Fak. der tschech. Univ. in Prag, habil. er sich dort 1920; 1921 ao., 1931 o. Prof. für Pflanzenphysiol. an der Univ. Brünn, gründete und leitete er das Inst. für Pflanzenphysiol. Er stattete es mit modernen Geräten aus und etablierte eine eigene wiss. Schule mit europaweitem Ruf. Nach dem 2. Weltkrieg hatte er maßgebl. Anteil am Wiederaufbau der naturwiss. Fak. in Brünn und trug viel zur Gründung einer neuen Univ. in Olmütz bei. An beiden Univ. war er 1945–47 Dekan der naturwiss. bzw. pädagog. Fak. In frühen Forschungsarbeiten widmete er sich der Bewegung, Reizbarkeit und Wachstumsproblematik von Pflanzen, später konzentrierte er sich auf Fragen zur allg. und theoret. Biol. und auf Stud. des Wasserhaushalts von Pflanzen. Er wandte die damals neue Methode von Zeitrafferaufnahmen des Pflanzenwachstums an. Erwähnenswert sind seine Arbeiten „Zamyšlení nad životem“ (1939), „Za oponou života“ (1940), „Život vesmírný“ (1944) und „Záhada smrti“ (1945), in denen er sich mit verschiedenen phil. Konzepten (Vitalismus, dialekt. Materialismus), Religion sowie mit dem Sinn des Lebens und dem Tod auseinandersetzte. Sein Buch „Duše lidu“ erschien erst 1998. Ú. engagierte sich auch aktiv im Kulturleben: 1928 bereitete er den wiss. Tl. der Ausst. zur modernen Kultur in der Tschechoslowakei vor. Daneben beschäftigte er sich intensiv mit der Ethnographie Mährens und initiierte 1931 die Vereinigung Velká. Darüber hinaus drehte er 1932 den ethnograph. Film „Mizející svět“. 1934–38 arbeitete er als Wiss.red. der Ztg. „Lidové noviny“. Eine Auswahl seiner Beitrr. veröff. er in den populären Büchern „Rok s rostlinami“ (1941) und „Napojme prameny“ (1947). Von seinem Interesse an Volksliedern zeugen u. a. die Broschüre „Padesát moravských písní“ (1940) sowie die umfangreiche Monographie „Živá píseň“ (1949). Außerdem gründete er das Amateurensemble für Volkslied, Musik und Tanz, dessen künstler. Leiterin seine 2. Frau war.

Weitere W.: s. LČL; Úlehla.
L.: LČL (m. W.); R. Frecer, Život a dílo V. Ú., phil. DA Brno, 1984; O tvořivosti ve vědě, politice a umění 3, 1993; I. Úlehla, V. Ú., 1994 (m. W.); Slovník českých filozofů, ed. J. Gabriel, 1998; Lidová kultura. Národopisná enc. Čech, Moravy a Slezska 1. Biografická část, ed. S. Brouček – R. Jeřábek, 2007.
(M. Makariusová)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 74f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>