Ulm, Franz (František); Ps. U, V., Medard, Medardus, Barnabas, Ornus (1810–1881), Pianist, Kritiker und Komponist

Ulm Franz (František), Ps. U, V., Medard, Medardus, Barnabas, Ornus, Pianist, Kritiker und Komponist. Geb. Časlau, Böhmen (Čáslav, CZ), 14. 6. 1810; gest. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 15. 4. 1881. Sohn von Balthasar U., Sekr. des Kreiskommissariats in Königgrätz. – Ab 1827 stud. U. Phil. und Rechtswiss. an der Univ. Prag, gleichzeitig widmete er sich der Musik und der Musikwiss. Seine Berufslaufbahn begann er als Sekr. und Pianist des norweg. Geigers Ole Bull bei dessen Konzertreise durch Russland, Dtld. und Dänemark (1841). Mit Bull und der Sängerin →Henriette Sontag konzertierte er im April 1841 am Hof des russ. Zaren in St. Petersburg (über die Reise berichtete er im selben Jahr in der Prager Z. „Ost und West“). Von Henriette Sontag wurde er als Begleiter dem Violoncellisten Adrien-François Servais empfohlen. Um 1845 kehrte U. nach Prag zurück, wo er bei mehreren Adelsfamilien Musik unterrichtete und als Journalist wirkte. Er beherrschte das Tschech. und referierte über Veranstaltungen in beiden Sprachen. Als Journalist arbeitete U. zuerst für „Ost und West“ (Red. →Rudolf Glaser), 1849 übernahm er nach dem Tod von Bernhard Gutt die Musik- und Theaterrubrik der Prager „Bohemia“ und behielt sie bis zu seinem Tod; sein Nachfolger wurde →Oskar Teuber. In der „Bohemia“ publ. er etwa 3.500, meist kürzere Beitrr., die sich mehr mit der Interpretation als mit dem Werk befassen. Dabei stützte er sich auf seine fundierten musikwiss. Kenntnisse. Als Journalist genoss U. internationales Ansehen (im České muz. hudby in Prag befinden sich etwa 500 an ihn gerichtete Briefe, u. a. von →Friedrich Smetana, →Franz v. Liszt, →František Škroup und →Alexander Dreyschock). Als hochangesehener, unparteiischer Kritiker bemühte sich U., das allg. Niveau des Prager Kulturlebens zu heben. In den 1840er-Jahren verkehrte er mit →Václav Tomášeks Schülern (→August Wilhelm Ambros, →Eduard Hanslick, Josef Bayer und anderen) und sympathisierte mit den poet. frühromant. Ideen Robert Schumanns; seine Beziehung zur Programmmusik (Berlioz, Liszt) war eher zurückhaltend. Später schloss er sich den Prager Wagnerianern an und machte sich um die Prager Erstauff. von Wagners Opern „Tannhäuser“ (1854) und „Die Meistersinger von Nürnberg“ (1871) verdient; über beide referierte er auch ausführl. Für die „Bohemia“ verf. U. die erste Biographie Škroups mit authent. Informationen (Dezember 1857). Seine eigenen Kompositionen umfassen tschech. und dt. Lieder (vorwiegend für private Veranstaltungen), Chöre sowie den heute verschollenen Operneinakter „Gülnare“ mit oriental. Sujet. Lieder U.s befinden sich im České muz. hudby.

L.: Bohemia, 16. 4. 1881; ČHS; Ludvová (m. B.); Wurzbach; J. Branberger, Das Konservatorium für Musik in Prag, 1911, s. Reg.; R. Procházka, Das romant. Musik-Prag, 1914, S. 45ff., 49 (m. B.); J. Stern, in: Der Auftakt 11, 1931, S. 57ff.; A. Hofman, Die Prager Z. „Ost und West“, 1957, s. Reg.; Dalibor 3, 1981, S. 94; M. K. Černý, in: Hudební věda 22, 1985, S. 216ff.; M. Ottlová – M. Pospíšil, in: Miscellanea musicologica 33, 1992, S. 39ff.; B. Lomnäs u. a., Auf der Suche nach der poet. Zeit. Der Prager Davidsbund 1–2, 1999, s. Reg.
(J. Ludvová)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 83f.
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