Ulrich, Friedrich (1877–1944), Pfarrer und Publizist

Ulrich Friedrich, Pfarrer und Publizist. Geb. Wörlitz, Dt. Reich (D), 18. 8. 1877; gest. Graz (Stmk.), 6. 5. 1944; evang. AB. Sohn des Zeichenlehrers Gustav U., Großvater des Germanisten Uwe Baur (geb. Duisburg, Dt. Reich/D, 12. 9. 1939); ab 1906 verheiratet mit Fanny U., geb. Gahmberg. – Nach der Reifeprüfung 1897 in Dessau stud. U. Theol. in Greifswald (1897), Leipzig (1897–98) und Marburg an der Lahn (ab 1898), daneben belegte er fünf Semester Kunstgeschichte; 1. theol. Examen 1901, 2. Examen 1904 (beide in Halle an der Saale), dazwischen Hauslehrer im russ. (heute finn.) Rokkala, wo er seine Frau kennenlernte. I. d. F. wirkte U. als Lehrvikar in Rathmannsdorf sowie als Lehrer in Hecklingen (jeweils bei Staßfurt). Über Vermittlung des Evang. Bunds zur Wahrung dt.-protestant. Interessen kam er im Zuge der Los-von-Rom-Bewegung nach Österr. 1907 Erhalt der Staatsbürgerschaft und Bestätigung als Personalvikar von Pfarrer Schmidt (Olmütz) mit Amtssitz in Sternberg; Oktober 1907 Ordination, 1908–13 Pfarrer in Mähr. Schönberg, 1913–17 in St. Pölten und anschließend bis zu seinem Tod amtsführender Pfarrer an der Grazer Heilandskirche. Ab 1920 fungierte U. als Hrsg., Verleger und Schriftleiter der von ihm gegr. Monatsz. „Der Säemann“, des bis zur behördl. Einstellung 1941 einzigen bundesweit erscheinenden evang. Kirchenbl. Österr. Er war zudem Anreger und erster Obmann des 1925 gegr. Evang. Pressverbands in Österr. Als Autor zahlreicher „Säemann“-Artikel und gefragter Vortragender (u. a. im Rahmen der Tagungen für evang. Kindergottesdienste und Sonntagsschulen) hatte er maßgebl. Einfluss in der Kirche, ohne offizielle übergemeindl. Ämter zu bekleiden. Über die pfarramtl. Tätigkeit hinaus engagierte sich U. in mehreren Grazer kirchl. Wohltätigkeitsver., so etwa bei der Gründung des Diakonissenmutterhauses. Bei der Austragung der gesamtdt. Tagung der Leipziger Gustav-Adolf-Stiftung, eines Hilfswerks des dt. Protestantismus für Diaspora-Kirchen, im September 1927 in Graz bildete er die zentrale Schnittstelle. Führend beteiligt war er auch am Evang. Gmd.tag in Graz im Juni 1937, einer Art Ersatzsynode der evang. Kirche, da die Einberufung einer ordentl. Synode von der Ständestaats-Regierung verhindert wurde. Seine dt.nationale Einstellung mit zunehmender Verquickung in die NS-Ideol. (1933 erster Aufnahmeantrag in die NSDAP) und die Ablehnung des röm.-kath. geprägten Ständestaats brachten ihm 1934–38 mehrere Strafverfahren sowie die Beschlagnahme des „Säemanns“ ein. Nach dem „Anschluss“ 1938 entwickelte sich die Z. zu einem NS-Propaganda-Organ, nachdem der sich zunehmend radikalisierende Antisemitismus U.s bereits in deren ersten Ausg. unverhohlen zu Tage getreten war. Dennoch wurde, in Anwendung eines fakt. Aufnahmestopps für Geistliche, den Reichsleiter Martin Bormann bereits 1937 erlassen hatte, sein zweites Ansuchen um Aufnahme in die NSDAP 1943 endgültig abgelehnt. Als Parteigänger der Dt. Christen, die eine Verbindung von Nationalsozialismus und Christentum anstrebten, war er 1938–39 neben dem Präs. des Evang. Oberkirchenrats Robert Kauer Mitgl. einer Arbeitsgruppe des Reichsministers für kirchl. Angelegenheiten Hanns Kerrl zur Neuordnung des evang. Kirchenwesens im Dt. Reich (Subarbeitskreis Vor- und Fortbildung der Geistlichen). Eine Notiz des Nachfolgers U.s an der Heilandskirche, Wolfgang Pommer, deutet darauf hin, dass er am Lebensende seine ideolog. Verirrung erkannte, eindeutige Quellenbelege dafür fehlen jedoch. 1929 wurde ihm das Ehrendoktorat der evang.-theol. Fak. der Univ. Breslau verliehen.

W. (s. auch Rampler; Schubert, 2005): Des Glaubens Grund in der Hl. Schrift, 1932; Das Bekenntnis unseres Glaubens, 1934; Schöpfer und Schöpfung, 1934; Der alte und der neue Weg des evang. Religionsunterrichtes, 1934; Der Gottesdienst für die Kinder, 1934; zahlreiche Beitrr. im Grazer Kirchenboten. – Nachlass: Evang. Pfarrgmd. Heilandskirche, Graz, Stmk.
L.: P. Wesener, in: J. Wallner, Die Geschichte der evang. Gmd. Graz Heilandskirche von der Reformationszeit bis zum Jubiläumsjahr 1956, (1965), S. 116ff.; H. Rampler, Evang. Pfarrer und Pfarrerinnen der Stmk. seit dem Toleranzpatent, 1998, s. Reg. (m. B. u. W.); H. Schubert, Pfarrer F. U. Ein Grazer evang. Geistl. als Kirchenpolitiker, Publizist und Antisemit, phil. DA Graz, 2005 (m. W.); U. Baur, in: Protestantismus & Literatur, ed. M. Bünker – K. Schwarz, 2007, S. 303ff. (m. B.); H. Schubert, in: Jb. für die Geschichte des Protestantismus in Österr. 124–125, 2010, S. 121ff.; UA, Leipzig, D.
(H. Schubert)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 87f.
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