Vágó, József;  (1877–1947), Architekt

Vágó József, Architekt. Geb. Großwardein, Ungarn (Oradea, RO), 23. 12. 1877; gest. Salies-de-Béarn (F), 7. 6. 1947; mos. Sohn des Kaufmanns Michael V. und von Josephine V., geb. Markovics, Bruder von →László V. sowie der Schauspieler Béla V. (geb. Großwardein, 26. 6. 1871; gest. Budapest, H, 30. 1. 1931), Géza V. (geb. Großwardein, 1882) und des Innenarchitekten Győző V., Vater des Architekten Pierre Vago (geb. Budapest, 30. 8. 1910; gest. Noisy-sur-École, F, 27. 1. 2002); ab 1909 verheiratet mit der Sängerin Gita Lenart-Vago (geb. Teplitz, Böhmen / Teplice, CZ, 18. 3. 1886). – Nach der Schulausbildung in Großwardein stud. V. Architektur an der TU Budapest (1900 Diplom), 1901–02 arbeitete er im Atelier von Ignác Alpár. 1902–11 hatte er mit seinem älteren Bruder László ein gem. Architekturbüro, wobei ihre ersten Pläne (1901–03) unter dem Einfluss von →Ödön Lechner entstanden. V. blieb zeitlebens ein prominenter Vertreter der Schule Lechners und war auch an der Planung von dessen letzten Arbeiten (z. B. Szent László Gymn., 1914, Budapest) beteiligt. Gleichzeitig waren die wichtigsten Gebäude der Gebrüder V. von der Formensprache Lechners unabhängig und zählen zum geometr. Sezessionsstil (Ausst.halle Nemzeti Szalon, 1906–07, Theater im Stadtwäldchen, 1908–09, Wohn- und Geschäftshaus „Árkád Basar“, 1908–09, alle Budapest; Darvas-Haus, 1909–10, Großwardein). Weiters arbeitete V. 1904–06 im Büro von Zsigmond Quittner an der Planung des Palasts der Gresham Versicherung, eines der Hauptwerke der Budapester Sezession. Als sozial engagierter Architekt entwarf er zusammen mit seinem Bruder auch mehrere Gebäude für Gewerkschaften sowie für die Sozialdemokrat. Partei, z. B. das Haus der Drucker-Gewerkschaft (1906–07) bzw. den Hauptsitz der Partei (1908–09). Die beiden Budapester Villen Schiffer und Grünwald (1910–12 bzw. 1914–16) plante V. bereits eigenständig: als Gesamtkunstwerk realisierte großbürgerl. Wohnhäuser, deren anspruchsvolle Interieurs unter Mitwirkung von herausragenden ung. bildenden Künstlern entstanden. V. war mit Otto Wagner und Josef Hoffmann persönl. bekannt, ihr Einfluss ist bereits in seinen früheren Werken auszumachen; so können die Villen und das Sommer-Clubhaus des Casinos in der Leopoldstadt (1912–13) der großbürgerl. Architektur Hoffmanns gleichgestellt werden. Der Gebäudekomplex der Gendarmerieschule von Großwardein (1911–13) ist mit seinem innovativen Grundriss und der schmucklosen Fassade eher ein frühmodernes Kunstwerk im Geiste des Rationalismus Wagners. Während der Räterepublik war V. 1919 Präs. des Baudirektoriums und in dieser Funktion bestrebt, in Budapest Arbeiterwohnsiedlungen zu errichten. Nach seiner Emigration nach Italien arbeitete er 1919–26 in Rom als Angestellter diverser Architekturbüros. 1927 erlangte er in der Konkurrenz um den Genfer Völkerbundpalast den geteilten ersten Platz: Gem. mit vier anderen Architekten wurde er mit der Ausarbeitung des Projekts beauftragt. Ab 1927 hielt er sich wieder vermehrt in Budapest auf, wo er an den Plänen der künstler. Neugestaltung der Stadt (1936) mitwirkte, die Lösungen für städtebaul. Mängel der ung. Hauptstadt vorsahen. Nach 1939 war er erneut zur Emigration gezwungen und arbeitete gegen Ende seines Lebens in Südfrankreich. In seinen damaligen Planungen wandte er sich gegen die architekton. und städtebaul. Pläne von Le Corbusiers „Stadt der Zukunft“. Im Gegensatz zu diesem lehnte er eine strikte Trennung nach Funktionsbereichen sowie isolierte, von Parkflächen umgebene höhere Wohngebäude ab und propagierte stattdessen eine Kombination aus funktional durchmischten, entlang von Straßen angelegten mehrstöckigen Gebäuden.

Weitere W.: s. Lambrichs, 2005. – Publ.: V. László – V. J. munkái, in: A Ház 1, 1908; Wagner és Lechner, ebd. 4, 1911; Ö. Lechner, in: Bildende Künstler 1, 1911; Városokon keresztül, 1930; Budapest művészi újjáépítése, 1936.
L.: Thieme–Becker; Vollmer; J. Gerle, in: Művészettörténeti Értesítő 31, 1982, S. 69ff.; The Dictionary of Art 31, 1996; E. Gábor, in: Diotíma, 1999, S. 147ff.; A. Lambrichs, J. V., 2003; dies., V. J., 2005 (m. W.); M. Paşca, Operele archiţectilor V. J. şi V. László la Oradea, 2005; Á. Tímár, in: Ars Hungarica 35, 2007, S. 391ff.; E. Gábor, Az Andrássy út körül, 2010, S. 289ff., 353ff.; M. G. Turco, in: Annuario / Accad. d’Ungheria in Roma 2007/ 09, 2010, S. 507ff.; G. Doti u. a., Un architetto ungherese a Roma: J. V., 1920–26, 2012.
(T. Csáki)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 148f.
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