Valentinotti, Stefan (1892–1944), Widerstandskämpfer und Buchhalter

Valentinotti Stefan, Widerstandskämpfer und Buchhalter. Geb. Bozen, Tirol (Bozen/Bolzano, I), 11. 12. 1892; gest. Berlin, Dt. Reich (D), 24. 10. 1944 (hingerichtet). Verheiratet mit Stefanie V. – Nach Abschluss der Schule in Bozen war V. als Schreibkraft beim dortigen Gericht tätig. Bereits im September 1914 geriet er in russ. Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1921 zurückkehrte. V. war in dieser Zeit in einem sibir. Goldbergwerk tätig, erlernte die Landessprache und wurde in der Verwaltung des Betriebs eingesetzt. Ein Tagebuch aus diesen Jahren, das er auf Russ. führte und erst später übers., geriet 1944 in die Hände der Gestapo und gilt als verloren. Nach seiner Rückkehr nach Südtirol arbeitete er erneut bei Gericht, später für die Steuerbehörde und ab 1935 als Buchhalter bei einer Fa. in Sterzing. Wie viele andere Südtiroler entschied sich V. 1939 für die Übersiedlung ins Dt. Reichsgebiet und lebte ab 1940 mit seiner Familie in Wörgl. Beschäftigung fand er als Finanzbuchhalter bei der nahegelegenen Zweigstelle eines dt. Rüstungsbetriebs. Seine Ablehnung des NS-Regimes konnte er zunächst verbergen. Spätestens nach der Niederlage von Stalingrad äußerte V. jedoch seine Kritik am NS-Staat und der Person →Adolf Hitlers in Gesprächen und privaten Aufzeichnungen immer deutlicher. Im April 1944 erhielten mehrere Stellen der Gauverwaltung in Innsbruck Zusendungen mit scharfen Angriffen auf Partei und NS-Funktionäre, deren Verf. unbekannt blieb. Auf die Spur V.s kam die Gestapo schließl. durch die Anzeige eines Arbeitskollegen. Mitte Mai 1944 wurde er in seiner Wohnung in Wörgl verhaftet, in das Polizeigefängnis Innsbruck und im Juli 1944 in das Zuchthaus Meseritz im Warthegau überstellt. Die Anklage zitierte ausführl. aus den „Zersetzungs- und Hetzschriften“ V.s, die sowohl an seinem Arbeitsplatz als auch in der Wohnung der Familie sichergestellt worden waren. Besonders nachteilig wirkte sich seine offenkundige Sympathie für das russ. Volk aus, das er ausdrückl. gegen die NS-Propaganda in Schutz nahm. In der Hauptverh. im September 1944 verurteilte der 6. Senat des Volksgerichtshofs V. als „unversöhnlichen Feind des Nationalsozialismus“ wegen Hochverrats, Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung zum Tod.

L.: Widerstand und Verfolgung in Tirol 1, 1984, S. 313ff. (m. B.); G. Hormayr, „Ich sterbe stolz und aufrecht“. Tiroler SozialistInnen und KommunistInnen im Widerstand gegen Hitler, 2012, S. 61ff. (m. B.); F. Kirchmair, Chronik des Bez. Kufstein 1933–45, 7, o. J., S. 149ff. (Typoskript, Heimatmus. Kufstein, Tirol).
(G. Hormayr)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 160f.
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