Valier, Max (1895–1930), Raketentechniker, Astronom und Schriftsteller

Valier Max, Raketentechniker, Astronom und Schriftsteller. Geb. Bozen, Tirol (Bozen/Bolzano, I), 9. 2. 1895; gest. Berlin, Dt. Reich (D), 17. 5. 1930 (Unfall); röm.-kath. Sohn des Konditors Edmund V. und der Olga V., geb. Wachtler; ab 1921 verheiratet mit Hedwig V., geb. Alden, geschiedene Bucek. – V. besuchte das Franziskanergymn. und beschäftigte sich schon als Schüler mit Astronomie, Feinmechanik, aber auch mit Theaterkritik. 1913 begann er an der Univ. Innsbruck Physik, Mathematik und Astronomie zu stud. und publ. 1915 sein erstes Buch, „Das astronomische Zeichnen“. Während des 1. Weltkriegs war er u. a. als Meteorologe eingesetzt. Er wurde Lt. der Luftfahrttruppe und überlebte als Flugbeobachter und Testflieger in Aspern 1918 den Absturz eines von ihm getesteten Caproni-Beuteflugzeugs. Das Kriegsende verbrachte er in Rekonvaleszenz in Wien. Die Heimkehr nach Südtirol wurde ihm verwehrt. 1919 nahm V. seine Vortragstätigkeit über astronom. Themen auf, seine an der Univ. Wien eingereichte Diss. wurde hingegen abgelehnt, da er →Hanns Hörbigers Welteislehre vertrat. Nach seiner Heirat zog V. nach München, wo er 1923 Vorträge über Raumfahrt hielt und, durch Hermann Oberth beeinflusst, das Buch „Die Entwicklung unseres Sonnensystems nach den neuen Lehren der Kosmotechnik“ veröff. 1924 publ. er die Broschüre „Der Vorstoß in den Weltenraum“, die unter dem Titel „Raketenfahrt“ sechs Aufl. erlebte. 1927 wurde er Mitbegründer des Ver. für Raumschiffahrt (VfR) in Breslau. V.s wiss. Arbeitsprogramm entsprach einer stufenweisen Grundlagenforschung und reichte von der Untersuchung und Verbesserung der Feststoffrakete über die Anwendung auf Bodenfahrzeuge und Flugzeuge bis zur Entwicklung der Flüssigkeitsrakete. Dabei liegt V.s eigentl. Verdienst in der Propagierung des Raketenflugzeugs, allerdings glaubte er, es genüge der Ersatz der konventionellen Motoren durch Raketen. Sein Ziel war die Steigerung der Raketenleistung im Hinblick auf Stratosphärenflugzeuge bis zum Raumfahrzeug. 1928 konzipierte und baute er gem. mit Fritz v. Opel und Friedrich Wilhelm Sander das erste bemannte Raketenauto und mit Gottlob Espenlaub ein Raketenflugzeug. 1929 erreichte er mit dem Raketenauto Opel-Rak-2 eine Geschwindigkeit von über 230 km/h und mit dem Raketenschlitten Valier-Rak-Bob 2 eine Geschwindigkeit von mehr als 378 km/h. Im Hinblick auf die Unzulänglichkeit der Feststoffrakete begann er anschließend bei der Fa. Heylandt in Berlin mit der Entwicklung eines Flüssigkeitsraketenantriebs und baute im April 1930 für das Valier-Heylandt Rak 7-Auto den ersten regelbaren Flüssigkeits-Raketenantrieb mit Spiritus als Brennstoff, Flüssigsauerstoff als Oxydator und Stickstoff als Druckgas. Versuche mit Paraffin und Wasser/Öl-Emulsionen kosteten ihn bald darauf bei einer Explosion des Triebwerks RAK-Modell 2 das Leben, was ihn zum ersten Opfer des Raketen- und Weltraumzeitalters machte. V. war der Erste, der für alle Fahrzeuge (zu Land, zu Wasser und zur Luft) das enorme Potenzial des Raketenantriebs zum Erreichen extremer Geschwindigkeiten demonstrierte. Die oft spektakulären Versuche waren Tl. seiner Öffentlichkeitsarbeit. Seine Pionierleistung besteht in der Verbreitung der Raketentheorie und des Raumfahrtgedankens durch Vorträge und Publ., in der prakt. Anwendung und Demonstration der Rakete bei allen Arten von Fahrzeugen sowie in seinen Versuchen, die zu Weltrekorden führten und die Entwicklung der Rakete beschleunigten. Darüber hinaus war V. eine vielseitige, kreative Persönlichkeit, wovon u. a. eine von ihm 1914 komponierte Operette zeugt.

Weitere W. (s. auch Attlmayr): Spiridion Illuxt. Phantast. Erz., 1919; Die Grundlagen der Kosmotechnik, 1919; Der Sterne Bahn und Wesen, 1924.
L.: W. G. Brandecker, Ein Leben für eine Idee. Der Raketenpionier M. V., 1961; W. Ley, Rockets, Missiles and Space Travel, 2. Aufl. 1961, S. 115; E. Attlmayr, Tiroler Pioniere der Technik, 1968, S. 80ff. (m. B. u. W.); E. Peter, Der Weg ins All, 1968, S. 17 (m. B.); I. Essers, M. V., 1980 (m. B.); H. Mielke, Lex. der Raumfahrt und Weltraumforschung, 1986, S. 509 (m. B.); W. Buedeler, Geschichte der Raumfahrt, (1999), s. Reg. (m. B.); H. W. Malnig, in: ZÖIAV 148, 2003, H. 1, S. 13ff. (m. B.); A. Strohmeyr, Verkannte Pioniere, 2015, S. 160ff. (m. B.).
(H. Malnig)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 163f.
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