Valussi, Eugenio Carlo (1837–1903), Fürstbischof und Publizist

Valussi Eugenio Carlo, Fürstbischof und Publizist. Geb. Talmassons, Lombardo-Venetien (I), 10. 2. 1837; gest. Sarche, Tirol (I), 11. 10. 1903 (beigesetzt: Domkirche, Trento). Sohn des wohlhabenden Bauern und Gmd.sekr. Valentino V. und dessen Frau Caterina Facini, Neffe von →Pacifico V. – V. maturierte 1856 in Udine und trat anschließend in das Priesterseminar von Görz ein; 1860 Ordination. Im selben Jahr ging er nach Wien, wo er seine Stud. am Frintaneum fortsetzte und 1864 an der dortigen Univ. zum Dr. theol. prom. I. d. F. wirkte er als Spiritual am Priesterseminar in Görz und unterrichtete daneben in einer kath. Mädchenvolksschule; 1870 Doz. für Moraltheol. am Görzer Seminar. V. war Miturheber des 1870 – nicht zuletzt als Reaktion auf die liberale Regierung in Wien – gegr. Circolo Cattolico del Goriziano. Der talentierte Publizist (1871–86 leitender Red. der Z. „Il Goriziano“, 1873 in „LʼEco del Litorale“ umbenannt) und ausgez. Redner war Hauptinitiator und Förderer der kath. Bewegung in der Gf.schaft Görz und Gradisca. 1875–80 red. er das als Bildungsorgan für den Diözesanklerus konzipierte „Folium periodicum Archidioeceseos Goritiensis“, für das er selbst zahlreiche Artikel verf. 1880 Propst des Görzer Metropolitankapitels, wurde er nach dem Tod von Erzbischof Andreas Gollmayer zum Kapitularvikar ernannt und leitete die Diözese interimist. von März bis Oktober 1883. Seine Ernennung zum Erzbischof soll – möglicherweise aufgrund mangelnder Slowen.kenntnisse V.s – von der Statthalterei in Triest verhindert worden sein. 1886 wurde er vom K. zum Fürstbischof der Diözese Trient, zu der damals auch die Gegend um Bozen und Meran sowie die meisten ladin. Gebiete gehörten, ernannt und im selben Jahr durch Nuntius Serafino Vannutelli geweiht. Seine Ernennung entsprach dem Wunsch nach einem Ausgleich zwischen polit. Loyalität gegenüber Österr. (die V. stets praktizierte) und Rücksicht auf die mehrheitl. italien. Bevölkerung der Diözese. Nicht zuletzt sollte dadurch der in den ländl. Gebieten Tirols stark verwurzelte Antiliberalismus eingedämmt werden. V.s Kirchenpolitik kann als gemäßigt fortschrittl. und pragmat. in Bezug auf den sich herausbildenden sozialen und polit. Katholizismus charakterisiert werden. Durch diesen sollte eine Alternative zum Nationalliberalismus geschaffen werden, mit dem man allerdings zwecks Erreichung konkreter Ziele gegebenenfalls vorsichtige Bündnisse einging. Zugleich bemühte sich V. erfolgreich, innerhalb des polit. Katholizismus und des Klerus seiner Diözese (einschließl. deren dt.sprachiger Anteile) jene Spaltung in Konservative und Christl.soziale, die die 1890er-Jahre im restl. (Dt.-) Tirol prägte, zu verhindern, bisweilen durch Einbremsung des polit. Engagements letzterer Gruppe. Mehr Profil zeigte er im Einsatz für das kath. Ver.wesen und die konfessionelle Presse, das Freizeitangebot für Jugendliche, die Fürsorge und v. a. – noch vor Veröff. der Enzyklika „Rerum Novarum“ – für die kath. Sozialbewegung, speziell im Genossenschaftswesen. 1898 wurde das Diözesankomitee der Kath. Aktion gegr. und 1902 der 1. Trienter Kath. Kongress abgehalten. Die Basis für die 1904 erfolgte Gründung der Unione politica popolare, der ersten kath. Partei des italien.sprachigen Teils der Region, wurde maßgebl. während V.s Amtszeit gelegt. In seiner Görzer Zeit fungierte V. 1873–86 als Mitgl. des AH, wo er dem italien.-kath.-konservativen Segment im Klub des rechten Zentrums angehörte. Daneben saß er 1874–76 und 1881–86 im Görzer Stadtrat. Als Trienter Fürstbischof war er ab 1886 bis zu seinem Tod fraktionsloses Mitgl. des HH sowie des Tiroler LT. Auf V.s Initiative hin wurden Bau und Organisation des fürstbischöfl. Kollegiums zu Ende geführt sowie erste Pläne für ein neues theol. Seminar erstellt. Des Weiteren erfolgten (unter der Leitung von →Enrico Nordio) Restaurierungs- und Sicherungsarbeiten am Dom von Trient. V. setzte sich generell für das hist.-künstler. Erbe der Diözese ein, seine diesbezügl. Bemühungen gipfelten u. a. 1903 in der Gründung des Diözesanmus., eines der ersten seiner Art. In pastoraler Hinsicht ist erwähnenswert, dass er 1888–97 Tle. seiner Diözese visitierte, Ad-limina-Besuche erfolgten 1887, 1893, 1896 und 1900. Er verf. 21 Hirtenbriefe und veröff. 1898 einen neuen Diözesankatechismus. Im theol. Seminar setzte er die betreffenden Reformen Papst Leos XIII. um (Neuthomismus, Einrichtung von Lehrstühlen für Phil., Apologetik und christl. Soziallehre). Die von der Kirche 1887–88 durchgeführten Maßnahmen gegen die Lehren →Antonio Conte di Rosmini Serbatis setzte er in seiner Diözese konsequent um. Im Zusammenhang mit dem 1. Internationalen Anti-Freimaurer-Kongress, der 1896 in Trient stattfand, exponierte sich V. unvorsichtigerweise stark. Während seines Episkopats legte er den Grundstein für den umfassenden Aufschwung des Diözesanlebens unter seinem Nachfolger →Coelestin Endrici. V. war päpstl. Hausprälat und Thronass. sowie Geh. Rat.

W.: s. Frankl – Tropper.
L.: Adlgasser; Gatz, Bischöfe; J. E. Tumler, Die Abg. zum Tiroler LT von 1861 bis 1914, phil. Diss. Innsbruck, 1981, S. 395f.; Figure e problemi dellʼottocento goriziano, ed. S. Cavazza – M. Gaddi, 1998, s. Reg. (m. B.); Das „Frintaneum“ in Wien ..., ed. K. H. Frankl – P. G. Tropper, 2006, s. Reg. (m. B. u. W.); UA, Wien; Archivio Diocesano Tridentino, Mus. Diocesano Tridentino, beide Trento, I.
(S. Vareschi)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 168f.
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