Várady, Gábor; eigentl. Borbély von Várad (1820–1906), Politiker

Várady Gábor, eigentl. Borbély von Várad, Politiker. Geb. Marmaroschsiget, Ungarn (Sighetu Marmației, RO), 20. 11. 1820; gest. ebd., 12. 11. 1906; evang. HB. Sohn des Kom.obernotars Ádám Borbély v. Várad und dessen Frau Jozéfa, geb. Leövey, Cousin der Pädagogin Klára Leövey; verheiratet mit Krisztina Hegedüs. – V. besuchte das ref. Lyzeum in seiner Heimatstadt und schloss 1837 ein Stud. an der evang. Rechtsakad. von Eperies ab. Nach einem Praktikum in der Kom.verwaltung von Marmarosch trat er 1839 als Kadett in das Wasa-IR Nr. 60 ein und kam 1840 zur kgl. ung. Leibgarde nach Wien. In dieser Zeit war er auch literar. tätig. 1844 quittierte V. den Militärdienst und war i. d. F. – nach Ablegung der Advokatenprüfung in Pest – 1845–46 Sekr. des Administrators des Kom. Marmarosch, László Szentpály. Nach Ausbruch der Revolution 1848 zum Hptm. ernannt, organisierte V. die Aufstellung und Ausbildung der lokalen Nationalgarde. Im Herbst desselben Jahres beteiligte er sich als Anführer einer Freischärlertruppe aus dem Kom. Szabolcs an der fehlgeschlagenen siebenbürg. Expedition Miklós Katonas. Im Februar 1849 zum Mjr. befördert, brachte er die Nationalgarde von Marmarosch auf Baon.stärke, worauf diese in die Honvéd-Armee übernommen und in die Kazinczy-Div. eingegliedert wurde. V. vermied im August 1849 die Waffenstreckung vor den Russen bei Zsibó und löste sein Baon. nach der Rückführung in die Heimat auf. Nach kurzer Illegalität emigrierte er im Jänner 1850 nach Württemberg. Aufgrund seines Gnadengesuchs und des persönl. Einschreitens seiner Frau in Wien wurde er im Herbst 1851 amnestiert. Nach der Zulassung zur Advokatur in seiner Geburtsstadt galt sein öff. Wirken zuerst dem Erziehungswesen: 1854 gründete er den Kindergartenver. Elisabeth, in seinem Haus wurde zudem die private Frauenlehranstalt seiner Cousine Klára Leövey, einer 1856 aus der Festungshaft in Kufstein entlassenen Pädagogin, eröffnet. In der wiederhergestellten Verwaltungsstruktur Ungarns (Kom.gliederung) bekleidete V. 1860–61 bzw. 1865–67 das Amt des 2. Vizegespans und errang 1861 ein Abg.mandat für den ung. RT, das er 31 Jahre lang behielt. Der überzeugte Liberale verwarf das Oktoberdiplom von 1860, setzte sich für die unveränderte Rechtsgültigkeit der Aprilgesetze und für eine tolerante Nationalitätenpolitik ein. Er gehörte zuerst der Beschlusspartei, dann der oppositionellen Linkspartei und später dem Linkszentrum an. Als Vertrauter →Kálmán Tisza v. Borosjenős wirkte V. 1875 an der Fusion des Linken Zentrums mit der bislang regierenden Deák-Partei mit. Dank der dadurch entstandenen neuen übermächtigen Liberalen (Freisinnigen) Partei erlangte V. einflussreiche wirtschaftl. und polit. Posten (Verw.R. in drei ostung. Eisenbahnbau-Ges., 1875 Vizepräs. des AH). Die Ordensaffäre von 1879 (Erwirkung hoher Ausz. für reiche Geschäftsleute), in deren Folge er sein parlamentar. Amt und Mandat niederlegte, bremste seinen polit. Aufstieg. Die Stammwählerschaft schenkte ihm bei der Nachwahl jedoch erneut das Vertrauen. Seine langjährige Aktivität an der Spitze örtl. Ver. und die ständige Präsenz in der Lokalpresse bildeten die Grundlagen seines polit. Erfolgs. 1865 wurde das polit. Wochenbl. „Máramaros“ gegr., in dem sich V. nicht nur als Leitartikler betätigte, sondern auch jahrzehntelang mit seinen wöchentl. literar. ansprechenden, krit.-humorist. Korrespondenzen über das Parlamentsleben in Erscheinung trat und große Beachtung fand.

W.: Országgyűlési levelei. 1865–68, 2 Bde., 1871; Hulló levelek, 3 Bde., 1892–95.
L.: M. Életr. Lex.; Pallas; Révai; Szinnyei; ÚMÉL; Wurzbach; P. Móricz, A magyar országgyűlési pártok küzdelmei a koronázástól a Deák és balközép pártok egybeolvadásáig (1867–74.), 1, 1892, S. 105ff.; Gy. Szabad, Forradalom és kiegyezés válaszútján (1860–61), 1967, s. Reg.; A. Cieger, Politikai korrupció a Monarchia Magyarországán 1867–1918, 2011, s. Reg.
(I. Ress)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 180f.
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