Vargha (Varga), Julius von (1841–1909), Jurist

Vargha (Varga) Julius von, Jurist. Geb. Ofen (Budapest, H), 4. 6. 1841; gest. Graz (Stmk.), 2. 2. 1909. Sohn des Gutsbesitzers Ludwig v. V.; ledig. – Nach Absolv. des Gymn. im böhm. Neuhaus stud. V. Rechtswiss. in Prag (1859–61) und Graz (ab 1861); 1866 Dr. iur. in Graz. Anschließend lebte er in Pest und Wien, wo er sich auf seine Habil. vorbereitete. Er verbrachte mehrere Jahre in Italien und erwarb dort einen guten Einblick in das italien. Gefängniswesen. 1875 habil. er sich an der Grazer Univ. für Strafrecht und Strafprozessrecht mit zwei Schriften: „Das rechtswidrige Besitzergreifen von beweglichen Sachen (kritische Gesichtspunkte zum österreichischen Strafgesetzentwurf)“ sowie „Die Verteidigung im Vorverfahren nach der österreichischen Strafprozeßordnung vom 23. Mai 1873“. V. wurde 1880 unbesoldeter und 1882 besoldeter Extraordinarius in Graz, 1898 tit. o. Prof., 1902 o. Prof. der Rechtsphil. und des Völkerrechts ad personam und 1905 o. Prof. des Strafrechts und Strafprozessrechts. Begeistert von dem Reformwerk →Julius Glasers, veröff. er 1879 die grundlegende Untersuchung „Die Vertheidigung in Strafsachen, historisch und dogmatisch dargestellt“. Eingehend behandelt wird darin die Geschichte der Verteidigung, ausgehend vom griech. und röm. Recht über den kanon. Strafprozess und den Inquisitionsprozess bis zum französ. und angelsächs. Strafprozess. In „Die Abschaffung der Strafknechtschaft. Studien zur Strafrechtsreform“ (2 Bde., 1896–97) vertrat V. eine für die damalige Zeit revolutionäre Auffassung von der Rechtsstellung der Strafgefangenen, indem er einen humanen Strafvollzug verfocht. Als Anhänger des Determinismus ging es ihm v. a. um die Erklärung kriminellen Verhaltens, womit er den Grundstein für eine sozialwiss. Kriminol. legte, wie sie sich erst in den 1960er-Jahren durchsetzte. V., der auch Ritter des kgl. schwed. Wasa-Ordens war, ist als ein früher Vertreter einer selbstkrit. Strafrechtswiss. und Kriminalpolitik anzusehen.

Weitere W.: Das Strafprocessrecht, 1885, 2. Aufl. 1907.
L.: NFP, 3. 2. 1909, 27. 2. 1914; NDB; Wer ist’s?, 1906, 1909; E. Lohsing, in: Jurist. Bll. 38, 1909, S. 64; K. Probst, in: MS für Kriminol. und Strafrechtsreform, 1976, S. 335ff.; ders., in: Österr. Richterztg. 55, 1977, S. 45ff.; ders., Geschichte der Rechtswiss. Fak. der Univ. Graz 3, 1987, S. 23ff. (m. B.); W. Höflechner, Geschichte der Karl-Franzens-Univ. Graz, 2006, s. Reg. (m. B.); M. Bock, in: Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswiss. aus Graz, ed. K. Acham, 2011, S. 329ff., bes. 337ff. (m. B.); UA, Graz, Stmk.; UA, Praha, CZ.
(G. Wesener)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 182f.
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