Várkonyi, István; Ps. Ivánfi (1852–1918), Politiker, Unternehmer und Publizist

Várkonyi István, Ps. Ivánfi, Politiker, Unternehmer und Publizist. Geb. Cegléd (H), 18. 7. 1852; gest. Szolnok (H), 19. 5. 1918; evang. HB. Sohn des Bauern István V. und dessen Frau Mária V., geb. Bognár. – Aus einfachen Verhältnissen stammend und zunächst als Tagelöhner tätig, versuchte sich V. ab Anfang der 1880er-Jahre als Fuhrwerksunternehmer in Budapest und gelangte i. d. F. zu einem bedeutenden Vermögen. Im Erwachsenenalter holte er die Matura nach und befasste sich mit Staatsrecht. 1889–90 Mitgl. der Ung. Allg. Arbeiterpartei (Magyarországi Általános Munkáspárt) Leó Frankels, war er nach deren Auflösung 1890 Gründungsmitgl. der von Pál Gábor Engelmann im Sinne der 2. Internationale (1889) gegr. Sozialdemokrat. Partei Ungarns (Magyarországi Szociáldemokrata Párt, 1896–97 Mitgl. der Landesleitung). Als bedeutender Vertreter des Agrarsozialismus maßgebl. an der Entfaltung der Landarbeiterbewegung in Ungarn beteiligt, rief V. 1896 das Bl. „Földmívelő“ ins Leben, ein gegen den Großgrundbesitz gerichtetes Sprachrohr der ländl. Unterschichten, in dem er nicht nur für eine gerechte Bodenverteilung, sondern auch für Erntestreiks plädierte. Aufgrund programmat.-ideolog. Differenzen – wie einige andere Agrarsozialisten zeigte sich V. unzufrieden mit der Bauernpolitik der Sozialdemokraten – aus der Partei ausgeschlossen, gründete er 1897 die Unabhängige Sozialist. Partei (Független Szocialista Párt), die erste Bauernpartei Ungarns. Von den Ideen Pierre-Joseph Proudhons beeinflusst, trat V. für den Ausbau einer Genossenschaftsstruktur ein, von der er sich die Beschränkung der Staatsmacht sowie – durch gezielte Agitation in rumän., serb. und slowak. Kreisen – die Lösung der Nationalitätenkonflikte erhoffte. Dies manifestierte sich auch in dem 1897 in Cegléd verabschiedeten Parteiprogramm, in dem eine Parzellierung und vorübergehende Verpachtung von Großgrundbesitz gefordert wurde. Nach den Erntestreiks von 1898 wurde die Z. „Földmívelő“ verboten. V. floh nach Wien, wurde jedoch an Ungarn ausgeliefert, wo ihm aufgrund konstruierter Vorwürfe eines geplanten Attentats auf K. →Franz Joseph I. der Prozess gemacht wurde. Von →Karl v. Eötvös verteidigt, wurde V. von diesem Anklagepunkt freigesprochen, Ende desselben Jahres jedoch wegen Pressvergehen, Aufwiegelung zum Klassenkampf und öff. Ehrenbeleidigung zu einer zehnmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Nach seiner Entlassung trat er 1901 und 1906 erfolglos bei den RT-Wahlen an, was schließl. zur Auflösung seiner Partei führte. I. d. F. zog er sich aus der Politik zurück; erst 1916 meldete er sich – unter Vertretung antimilitarist. Standpunkte – wieder öff. zu Wort, was zu einer erneuten Verurteilung führte. V. starb jedoch vor Antritt der Haftstrafe.

L.: AZ, 16. 2., 9. 7., NFP, 23. 6., 5. 11., Pester Lloyd, 4. 11. 1898 (Abendbl.); Pesti Hírlap, 13. 6. 1918; Enc. Slovenska; ÚMÉL; J. Farkas, V. I., 1965; Magyar néprajzi lex. 5, 1982; Magyar agrártörténeti életrajzok 3, ed. L. Für – J. Pintér, 1989; A. Bozóki – M. Sükösd, Az anarchizmus elmélete és magyarországi története, 1994, S. 72ff.; A magyar szociáldemokrácia kézikönyve, ed. L. Varga, 1999, s. Reg.; Magyar nagylex. 18, 2004.
(Á. Z. Bernád)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 185
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