Vernaleken, Theodor (1812–1907), Lehrer und Volkskundler

Vernaleken Theodor, Lehrer und Volkskundler. Geb. Volkmarsen, Westphalen (D), 28. 1. 1812; gest. Graz (Stmk.), 27. 2. 1907; bis 1893 röm.-kath., später evang. Stammte aus einem niedersächs. Geschlecht; ab 1840 in 1. Ehe verheiratet mit Wilhelmine V., geb. Zwingli (gest. 1873), ab 1875 in 2. Ehe mit einer Gen.witwe. – Nach dem Besuch des Gymn. in Warburg und Paderborn sowie des Lyzeums in Fulda 1830–34 folgte eine Ausbildung am Lehrerseminar im schweizer. Küsnacht bei Ignaz Thomas Scherr. Ab 1836 soll er auch phil. Vorlesungen an der Univ. Zürich gehört haben. Für kurze Zeit unterrichtete V. in Andelfingen, ab 1837 lehrte er an der Sekundarschule in Rickenbach bei Winterthur. 1845 ging V. erneut nach Zürich und war zunächst an der Nagel’schen Erziehungsanstalt, dann als Privatlehrer tätig. 1850 holte ihn →Franz Serafin Exner nach Wien. Dort wirkte V. zunächst als Lehrer am polytechn. Inst., ab 1851 unterrichtete er dt. Sprache und Literatur an der neu gegr. Oberrealschule auf dem Schottenfeld, wo er auch viel besuchte Fortbildungskurse für Lehrer abhielt, die als Vorbild für andere Schulen dienten. Daneben erteilte er Erzhgn. Maria Henriette, der späteren Kgn. von Belgien, Privatunterricht. Als Mitgl. der Prüfungskomm. für Realschulen wurde V. 1869 zum Bez.schulinsp. bestellt. 1870 übernahm er die Funktion des Dir. der Normal-Hauptschule zu St. Anna, wo er die erste Lehrerbildungsanstalt begründete. 1877 trat er i. d. R. und übersiedelte zunächst nach Marburg an der Drau, 1880 nach Graz. V. machte sich v. a. als Schulreformer einen Namen. Er wirkte an der Entwicklung des Volksschulwesens, insbes. des Sprachunterrichts, sowie der Errichtung von Realschulen mit und beeinflusste Bestrebungen, die 1869 zur Schaffung des Reichsvolksschulgesetzes führten. Ab 1840 verf. V. v. a. mehrfach aufgelegte Lese- und Sprachbücher. Als sein Hauptwerk gilt die „Deutsche Syntax“ (2 Bde., 1861–63). Für die Realschule schrieb er sein berühmtes „Litteraturbuch“ in drei Bde. (1850). Sein „Hilfsbuch zu dem ersten Sprach- und Lesebuche für die katholischen Volksschulen im Kaiserthum Österreich“ (1852) zeigt, wie lebendig der Unterricht gestaltet werden sollte. 1846 red. er die „Schweizerischen Blätter für Erziehung und Unterricht“, 1851 gründete er gem. mit →Moritz Becker den „Österreichischen Schulboten“. V., der mit Jacob Grimm und Ludwig Uhland befreundet war, sammelte daneben Sagen, Mythen, Märchen und Bräuche aus den Alpenländern. Nach dem Vorbild der Brüder Grimm brachte er die Smlg. „Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich“ (1859) heraus. 1877 erhielt er das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens.

Weitere W.: s. Wurzbach.
L.: Grazer Tagbl., NFP, 28. 1. 1892; Illustrirtes Wr. Extrabl., 25. (m. B.), NWT, 26. 1. 1902, 28. 2. 1907; Salzburger Chronik, 28. 2., Znaimer Wochenbl., 2., Marburger Ztg., 5. 3., Neues Wr. Journal, 27. 4. 1907; Wurzbach (m. W.); F. Branky, in: Biographien österr. Schulmänner, 1897, S. 133ff.; R. Seebauer, Lehrerbildung in Porträts, 2011, S. 97ff.; Mitt. Hans Mück, Wien (gest.).
(D. Angetter)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 238
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