Vietz, Ferdinand Bernhard (1772–1815), Mediziner und Tierarzt

Vietz Ferdinand Bernhard, Mediziner und Tierarzt. Geb. Wien, 20. 8. 1772; gest. Zara, Dalmatien (Zadar, HR), 25. 7. 1815. Nach Abschluss des Gymn. und dem Besuch einiger jurid. Vorlesungen an der Univ. Wien begann V. 1794 als Kanzlist beim Reichshofrat, wandte sich jedoch noch im selben Jahr dem Med.stud. zu; 1799 Dr. med. Aufgrund seines naturwiss. Interesses und seiner zeichner. Begabung begann er bereits im Jahr darauf mit der Hrsg. des mit 1.090 kolorierten Kupferstichen ausgestatteten zehnbändigen Monumentalwerks „Icones plantarum medico-oeconomico-technologicarum ...“ (1800–22; er selbst gab die ersten drei Bde. heraus). Ab 1801 lehrte er als ao. Prof. für med. Polizei und gerichtl. Arzneikde. an der Univ. Wien. 1805 o. Prof., übernahm er als Vorstand den auf Betreiben von →Andreas Joseph Frh. v. Stifft neu errichteten Lehrstuhl für med. Polizei und gerichtl. Arzneikde. V. befasste sich intensiv mit der Rettung und Behandlung von Scheintoten und veröff. zu dieser – damals sehr aktuellen – Problematik 1804 eine ausführl. Darstellung, das „Programm zu den oeffentlichen Vorlesungen ueber das Rettungsgeschäft scheintodter, und in plötzliche Lebensgefahr gerathener Menschen …“. Parallel zu V.s Vorlesungen zu diesem Thema fanden im AKH gerichtsmed. Obduktionen zu Unterrichtszwecken statt. Von bes. Bedeutung für den gerichtsmed. Unterricht war auch seine später erschienene „Instruction für die öffentlich angestellten Aerzte und Wundärzte in den k. k. österreichischen Staaten, wie sie sich bey gerichtlichen Leichenschauen zu benehmen haben“ (1814). 1812 wurde V. zum Dir. und ersten Prof. des Thierarzney-Inst. bestellt. Sein Hauptaugenmerk galt der Neuordnung dieses Inst. V. kritisierte die dürftigen Veterinäreinrichtungen der Monarchie. Zwecks Umsetzung von Reformen stud. er die san.- und tierärztl. Institutionen und verglich diese mit jenen in anderen Ländern. 1813 legte er im Auftrag K. →Franz II. (I.) einen Entwurf für eine Reorganisation des Thierarzney-Inst. vor. Eines seiner Hauptziele war die Ausweitung des Lehrplans auf die gesamte Tierheilkde., sodass der Unterricht nicht wie bis dahin nur auf Pferde beschränkt war. Dies erforderte zunächst die Ausbildung von Lehrenden in allen Fächern der Tierheilkde. Die Pläne zum Neubau des Instituts sind ihm ebenso zu verdanken wie dessen Überführung von der militär. Verwaltung in eine zivile. Auf sein Betreiben wurden die Stellen der Landestierärzte in den Kronländern geschaffen. Von diesen verlangte er v. a. Unterstützung bei der Seuchenprophylaxe sowie bei der Tierzucht. Darüber hinaus legte V. die Aufgaben der Landes-Protomedici fest und erarbeitete Vorschriften für die Durchführung der Pockenimpfung, eine Pest-Polizeiordnung und ein Küsten-San.-Normativ. Um Vorschläge für eine Pest-Quarantäne zu erstellen, besuchte er das Pestspital in Livorno und bereiste gem. mit dem Wund- und Hoftierarzt Georg Puntschert die österr. Küsten von Venedig, über Ragusa bis Cattaro. Auf der Rückreise verstarb er.

Weitere W. (s. auch Wurzbach; Erneuerte vaterländ. Bll.; Bindseil): Vorlesungen über gerichtl. Arzneykde. 1, ed. J. Bernt, 1817.
L.: WZ, 3. 11. 1815; Czeike; Hirsch; Lesky, s. Reg.; Wurzbach (m. W.); Erneuerte vaterländ. Bll. für den österr. K.staat, 1815, S. 562ff. (m. W.); Biograph.-literar. Lex. der Thierärzte aller Zeiten und Länder, 1863; M. F. Röll, Das k.k. Militär-Thierarznei-Inst. in Wien während des 1. Jh. seines Bestehens, 1878, S. 25; G. Günther, Die Tierärztl. Hochschule in Wien, 1930, S. 74; Ch. Neumann, Die Entwicklung des Stud. der Veterinärmed. an der Wr. Tierärztl. Hochschule von 1767–1965, vet.-med. Diss. Wien, 1965, S. 41; W. Lechner, in: Wr. tierärztl. MS 55, 1968, S. 125ff.; 200 Jahre Tierärztl. Hochschule in Wien, 1968, s. Reg.; G. Bindseil, Personalbibliographien von Prof. und Doz. der Gerichtsmed. … der Univ. Wien … 1804–1900, med. Diss. Erlangen-Nürnberg, 1970, S. 12ff. (m. W.); UA, Wien.
(Ch. Mache)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 275f.
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