Vittorelli, Paul von (1851–1932), Jurist

Vittorelli Paul von, Jurist. Geb. Triest, Freie Stadt (Trieste, I), 9. 3. 1851; gest. Wien, 20. 4. 1932 (Ehrengrab: Wr. Zentralfriedhof). Sohn des Heinrich v. V. (1825–1870), Bruder des k. u. k. Rgt.kmdt. Richard v. V.; verheiratet mit Franziska (Fanny) v. V., geb. Ladenbauer (1853–1915). – Nach dem Besuch des Gymn. in Triest stud. V. Jus an den Univ. Graz (1869–72) und Wien (1872/73); 1874 Dr. iur. Noch im selben Jahr begann V. seinen Justizdienst als Zivilrichter an den Bez.gerichten Neunkirchen, Wr. Neustadt und Kirchberg an der Pielach. 1891 wurde er wunschgemäß an das Landesgericht Wien versetzt, wo er als Ratssekr. fungierte. 1897 ernannte man ihn zum ersten Vorstand des neu geschaffenen Exekutionsgerichts. Dort wirkte er gem. mit →Franz Klein wesentl. an der Entwicklung und prakt. Umsetzung der neuen Exekutionsordnung mit, etwa durch die Einführung des Inst. des Konzeptsgehilfen, die Schaffung passender Musterschriftsätze etc. 1898 wurde V. zum OLGR berufen. 1903 zum Präs. des Landesgerichts für Strafsachen in Wien ernannt, setzte sich V. intensiv mit Fragen der Jugendgerichtsbarkeit und der Resozialisierung jugendl. Häftlinge auseinander. 1905 Mitgl. der judiziellen Strafrechtsprüfungskomm., wurde er 1909 Oberlandesgerichtspräs. und hatte bedeutenden Anteil an den Vorarbeiten zur Reform des Strafrechts. 1917 ernannte man V. zum Mitgl. des Reichsgerichts. Obwohl er – auf eigenen Wunsch hin – im August 1918 i. d. R. trat, übernahm er im Oktober desselben Jahres im sog. Liquidationsmin. Lammasch das Justizressort, das jedoch durch die Auflösung der Monarchie bereits im Folgemonat sein Ende fand. Als allerdings im Jänner 1919 im Zuge der justiziellen Organisation der Republik ein Verfassungsgerichtshof eingerichtet wurde, bestellte Staatsrat →Karl Seitz den bereits 68-Jährigen zu dessen Präs. V., der allg. für sein Organisationstalent geschätzt wurde, führte diese Funktion noch bis 1930, als nach der Verfassungsnovelle von 1929 der Verfassungsgerichtshof aufgehoben und neu eingerichtet wurde, aus. Für seine sparsame und effiziente Amtsführung bekannt, wurde V. 1902 mit dem Titel und Charakter eines HR mit Zulage geehrt und 1911 zum Geh. Rat ernannt.

W.: Der Verfassungsgerichtshof. Die für ihn geltenden bes. Vorschriften und seine wichtigsten Erkenntnisse …, 1928.
L.: NFP, 8. 3. 1931; F. Engel, in: Jurist. Bll. 61, 1932, S. 231f.; W. Ladenbauer, Dr. P. v. V. (1851–1932), 1997; ders., in: Bürgerl. Familien, ed. H. Stekl, 2000, S. 87ff.
(Ph. Dittinger)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 301
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