Vivante, Angelo (1869–1915), Politiker, Fachschriftsteller und Journalist

Vivante Angelo, Politiker, Fachschriftsteller und Journalist. Geb. Triest, Freie Stadt (Trieste, I), 11. 8. 1869; gest. ebd., 1. 7. 1915 (Suizid); mos. Aus einer einflussreichen, italien.-nationalliberal gesinnten großbürgerl. Triestiner Familie stammend, Sohn von Felice V. (1839–1927), der eine zentrale Position in der Versicherungsges. Assicurazioni Generali innehatte, und dessen aus Florenz stammender Frau Emilia Levi (1839–1917). – Nach Absolv. des italien. Gymn. in seiner Geburtsstadt 1887 stud. V. Rechtswiss. an der Univ. Bologna und prom. 1891 mit einer Arbeit über Unfälle am Arbeitsplatz zum Dr. iur. Während seines Aufenthalts in Bologna begann sich V. für sozialist. Ideen zu interessieren. Nach seiner Rückkehr nach Triest arbeitete er als Red. bei „Il Piccolo della Sera“, dem Abendbl. von „Il Piccolo“, der meistverbreiteten italien. Ztg. der Stadt. Um 1902/03 trat er in Kontakt mit den lokalen Sozialisten und avancierte bald zu einer der zentralen Führungsfiguren von deren Partei. Ab 1902 war er für den neu gegr. Circolo di studi sociali tätig und brachte in dieser Funktion wichtige Persönlichkeiten des italien. Kulturbetriebs nach Triest. 1905 verließ er „Il Piccolo“, um die Leitung des sozialist. Bl. „Il Lavoratore“ zu übernehmen. 1905–07 einer der Hauptorganisatoren der Wahlrechtsdemonstrationen in Triest, nahm er 1907 als Vertreter seiner Partei und Ber.erstatter des „Lavoratore“ auch am Internationalen Sozialistenkongress in Stuttgart teil. Wegen Unstimmigkeiten mit der Parteiführung zog sich V. 1908 aus der Politik zurück, kündigte seine Mitarbeit am „Lavoratore“ auf und widmete sich i. d. F. dem Stud. der Geschichte des Küstenlands sowie der italien.-österr. Beziehungen. Er trat dabei mit wichtigen Intellektuellen des Kg.reichs Italien, etwa Gaetano Salvemini und Giuseppe Prezzolini, in Kontakt. 1912 erschien in Prezzolinis Verlag La Voce in Florenz V.s bedeutendes Werk „Irredentismo adriatico. Contributo alla discussione sui rapporti austro-italiani“ (Neuaufl. 1945, 1954 und 1984, französ. 1917, engl. bzw. russ. Übers. einer gekürzten Fassung 1945). Dieses analysiert nicht nur die neuere Geschichte Triests und die Beziehungen zwischen Italienern und Slawen im österr. Küstenland, sondern polemisiert auch gegen die italien.-irredentist. Ansprüche auf das Gebiet. In einer positivist.-marxist. Sichtweise sah V. Triest als Produkt der Wr. Wirtschaftspolitik an und war überzeugt, dass das Wohlergehen der Stadt von ihrer Zugehörigkeit zum Habsburgerreich abhing. Mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs und seiner Einberufung verschlechterte sich V.s depressive Erkrankung, die letztl. im Suizid endete.

Weitere W.: Dal covo dei „traditori“. Note triestine, 1914.
L.: C. Daneo, Il fantasma di A. V., 1988; E. Apih, Il socialismo italiano in Austria, 1991, s. Reg.; M. Cattaruzza, Socialismo adriatico, 1998, s. Reg.; A. Millo, Storia di una borghesia. La famiglia V. a Trieste ..., 1998 (m. B.); dies., in: Nuova Corvina 28, 2015, S. 115ff.; R. Lunzer, in: L’irredentismo armato 1, ed. F. Todero, 2015, S. 21ff.; B. Marušič, in: Annales. Ser. Historia et Sociologia 25, 2015, S. 885ff.; Comunità ebraica di Trieste, I.
(F. Toncich)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 302f.
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