Vivenot, Rudolph d. Ä. Ritter von (1807–1884), Mediziner

Vivenot Rudolph Ritter von d. Ä., Mediziner. Geb. Wien, 3. 7. 1807; gest. Gut Berghof (Lilienfeld, NÖ), 30. 6. 1884; röm.-kath. Enkel von Nicolaus v. V. (geb. 25. 5. 1715; gest. 12. 1. 1792), Erzieher im Haus von Wenzel Fürst v. Kaunitz-Rietberg, Sohn von Dominik Edler v. V. (s. u.) und der Franziska Edle v. V., geb. Edle v. Vogel (geb. Wien, 16. 10. 1788; gest. ebd., 4. 10. 1855), Vater von →Alfred Ritter v. V., Rudolph Ritter v. V. d. J. (s. u.) und FML Oscar Ritter v. V. (1859–1932); ab 1832 mit Josefine Edle v. V., geb. Freiin (Metzger) v. Metzburg (geb. Lemberg, Galizien / L’viv, UA, 9. 11. 1810; gest. Mauer, NÖ / Wien, 16. 7. 1838), ab 1841 mit Antonie v. V., geb. Berger v. Bergenthal (geb. Forst, Böhmen / Černý Důl-Fořt, CZ, 7. 3. 1820; gest. Wien, 14. 12. 1846) und ab 1850 mit der Opernsängerin Mathilde Hellwig, geb. Swatosch (geb. Wien, 19. 9. 1825; gest. ebd., 15. 11. 1892), verheiratet. – Nach Besuch des Gymn. stud. V. Med. an der Univ. Wien; 1830 Dr. med., 1831 Dr. chir. und Mag. obstet. V. vertiefte seine Kenntnisse in der Ordination seines Vaters, führte diese weiter und gehörte rasch zu den gefragtesten Ärzten seiner Zeit, u. a. zählte er →Richard Fürst Metternich-Winneburg, →Johann Gf. v. Rechberg u. Rothenlöwen, →Josef v. Rauscher, die Familien Dietrichstein, Clam-Gallas und Rothschild sowie Schauspieler zu seinen Patienten. Auf zahlreichen Reisen nach Dtld., Holland, Belgien, Frankreich, England, Schottland, Irland und Italien lernte er führende Wiss. kennen, mit denen er zeitlebens in Verbindung blieb. Soziales Engagement zeigte er als Arzt bei den Choleraepidemien in Wien (1831–66), 1866 als Obmann des Komitees der med. Fak. zur Hilfeleistung bei Verwundeten der k. k. Armee sowie bei der Behandlung von mittellosen Patienten. Bes. verdient machte er sich 1872 um die Gründung des Erzhgn.-Sophien-Spitals. Wiss. befasste sich V. mit dem Ausbau von Kurorten, allen voran Wildbadgastein und Gleichenberg. Seine Publ. „Andeutungen über Gastein und dessen Anstalten zu Wildbad und Hofgastein“ (1839) trug viel zur Popularität des Kurorts bei. Im Revolutionsjahr 1848 gründete er gem. mit Julius v. Zerboni de Sposetti den konstitutionellen monarchist. Ver., aus dem eine patriot. Partei entstehen sollte. Als dies erfolglos blieb, zog sich V. aus der Politik wieder zurück. Künstler. begabt, stud. er bei →Carl Czerny, veröff. rund 40 Kompositionen und trat auch als Schriftsteller in Erscheinung. V. zählte 1837 zu den Gründungsmitgl. der Ges. der Ärzte in Wien und war Mitgl. des San.rats. Neben zahlreichen ausländ. Orden erhielt er 1866 den Orden der Eisernen Krone III. Kl. und wurde 1867 in den Ritterstand erhoben; 1875 Reg.Rat, 1880 HR. Sein Vater, der Mediziner Dominik Edler v. V. (geb. Wien, 25. 12. 1764; gest. ebd., 9. 5. 1833; röm.-kath.), wurde von seinen Eltern ursprüngl. zum Militärdienst bestimmt, stud. jedoch nach dem Schulbesuch Med. an der Univ. Wien; 1787 Dr. med. Dominik V. eröffnete eine Ordination, behandelte zunächst vorrangig die ärmere Bevölkerung und machte sich insbes. um die Versorgung von Cholerapatienten verdient, ehe er zu einem der bekanntesten Ärzte Wiens avancierte. 1832 rettete er dem schwer erkrankten →Ferdinand I. das Leben, weshalb er 1833 in den Adelsstand erhoben wurde. Dominik V. fungierte als Prüfungskoär. der med. Fächer. an der Univ. Wien. Rudolph V.s Sohn, der Mediziner und Fachschriftsteller Rudolph Ritter v. V. d. J. (geb. Wien, 5. 10. 1833; gest. ebd., 7. 4. 1870; röm.-kath.), der ab 1861 mit Thekla v. V., geb. Englerth (geb. Mannheim, Großhg.tum Baden/D, 15. 8. 1839; gest. Weidling, NÖ, 16. 3. 1907), verheiratet war, stud. nach Besuch des Schottengymn. Med. an der Univ. Wien; 1856 Dr. med., Mag. chir. und Mag. obstet. I. d. F. ging er aus gesundheitl. Gründen für einige Zeit nach Palermo, wo er sich mit den Auswirkungen des Klimas auf den menschl. Organismus zu befassen begann. 1862 Priv.Doz. für med. Klimatol., wurde er 1868 zum ao. Prof. für Klimatol. an der Univ. Wien ernannt. Rudolph V. d. J. untersuchte den Einfluss von Luftveränderungen auf die Lungenfunktion, die Sauerstoffsättigung des Bluts und die Körperwärme, befasste sich aber auch mit Fragen zum Hygienestandard von Großstädten. Darüber hinaus galt sein Interesse der Messung von Luftfeuchtigkeit und Luftdruck und deren therapeut. Anwendungsmöglichkeiten. Ein von ihm entworfener Verdunstungsmesser wurde 1865 auf der Mailänder Ind.ausst. mit der silbernen Medaille prämiert und bald in zahlreichen europ. Observatorien verwendet. Von seinen viel beachteten Publ. sind „Palermo und seine Bedeutung als climatischer Curort“ (1860, auch ins Italien. übers.) sowie „Zur Kenntniss der physiologischen Wirkungen und der therapeutischen Anwendung der verdichteten Luft“ (1868), eine zusammenfassende Stud. seiner Forschungen, erwähnenswert. Darüber hinaus verf. er Beitrr. in der „Wiener medizinischen Wochenschrift“, in den „Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien“ und in „Virchow’s Archiv“. Seine Werke, die auch ins Französ., Italien., Schwed. und Russ. übers. wurden, boten zudem Anregungen zur Errichtung von pneumat. Kammern bzw. Heilanstalten in Dtld., Russland, England und Österr. Mitgl. bzw. k. M. zahlreicher internationaler Akad. sowie gelehrter Ges., war Rudolph V. d. J. u. a. Vizepräs. des ärztl. Ver. in Wien, Mitgl. der Ges. der Ärzte in Wien, der österr. Ges. für Meteorol., ab 1868 Mitgl. der Dt. Akad. der Naturforscher Leopoldina und Sekr. der Anthropolog. Ges. in Wien. Er erhielt u. a. den kgl. preuß. Roten Adler-Orden sowie die große goldene Medaille für Wiss. und Kunst.

Weitere W. (s. auch Wurzbach): Autographensmlg. V., begründet von R. v. V. (1807–84), mit den Originalmss. der FS zum zehnjährigen Regierungsjubiläum K. Franz Josefs, bearb. M. Peche, 2004. – Rudolph Ritter v. V. d. J.: Über einen neuen Verdunstungsmesser …, 1863; Beitrr. zur Kenntniss der klimat. Evaporationskraft und deren Beziehung zu Temperatur, Feuchtigkeit, Luftströmungen und Niederschlägen, 1866.
L.: Illustrirtes Wr. Extrabl., 26. 11. 1875 (m. B.); WZ, 1. 7. 1885; NFP, 3. 7. 1907; Czeike; oeml; Wurzbach (m. W., auch für Dominik Edler v. V. und Rudolph Ritter v. V. d. J.); Annette von Vivenot, Geschichte der Familie v. V., 1902, S. 34ff. (m. B., auch für Dominik Edler v. V., S. 23ff., m. B., und Rudolph Ritter v. V. d. J., S. 56ff.); UA, Wien; Stiftspfarre Lilienfeld, NÖ. – Dominik Edler v. V.: Med.-chirurg. Ztg. 4, 1833, S. 92ff.; UA, Wien (m. B.). – Rudolph Ritter v. V. d. J.: WZ, 25. 6. 1870; ADB; UA, Wien; Stadtarchiv Klosterneuburg, NÖ.
(D. Angetter)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 304f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>