Vogel, Emanuel Hugo (1875–1946), Nationalökonom

Vogel Emanuel Hugo, Nationalökonom. Geb. Wien, 30. 12. 1875; gest. Mödling, Wien (NÖ), 31. 3. 1946; röm.-kath. Sohn des Oberinsp. der Staatsbahnen Josef V. und von Maria V., geb. Koszler; 1932 Heirat mit Franziska Paulina Brozyna, verwitwete Schwarz (geb. 6. 3. 1886). – V. besuchte das Gymn. in Wien und stud. 1895–99 Rechtswiss. an der Univ. Wien. Nach der Prom. 1900 trat er als Konzeptspraktikant in den Finanzdienst, wurde 1904 Finanzkonz., 1909 Finanzkoär. der Finanzlandesdion. 1911 wurde er zur Statist. Zentralkomm. abgestellt und war 1911–19 im Finanzmin. tätig; 1911 Min.konz., 1913 Vizesekr., 1916 Finanzrat. 1911 habil. er sich für Finanzwiss. an der Univ. Wien mit den beiden Arbeiten „Die finanzpolitischen Besteuerungsprinzipien in Literatur und Theorie“ sowie „Die theoretischen Grundlagen der Vermögenssteuer im Systeme der Ertrags- und Einkommensbesteuerung“. 1912 wurde seine Venia legendi auf österr. Finanzrecht sowie Statistik und 1917 auf polit. Ökonomie erweitert. 1918 tit. ao. Prof., 1919 ao. Prof. für Finanzwiss. und österr. Finanzrecht, wurde V. 1920 zum o. Prof. für Volkswirtschaftslehre an der Wr. BOKU ernannt, wo er 1921 das Inst. für Agrar- und Forstpolitik gründete. Nach Ende seines Rektorats (1933/34) wurde er aus polit. Gründen pensioniert, blieb aber Priv.Doz. an der Univ. Wien. Nach dem „Anschluss“ 1938 wurde V. wieder an die BOKU berufen, verließ sie aber im selben Jahr erneut: Der Leiter des NS-Doz.bunds Franz Sekera warf ihm aufgrund der 1935 veröff. Schriften „Österreichs Selbständigkeit als Weg einer gesamtdeutschen Lösung des Donauraumproblems“ und „Ständeverfassung und Demokratie“ Parteinahme für den Ständestaat vor. Trotz seiner „Rehabilitierung“ war V. ab 1939 ausschließl. als o. Prof. an der Univ. Wien tätig, wo er bis 1940 Vorstand des Inst. für Statistik der Minderheitsvölker bzw. 1942–45 Dir. des Inst. für Wirtschaftswiss. war. Nach seiner Enthebung 1945 bemühte sich V. vergebl. um die Wiedererlangung seiner Professur und starb vor Abschluss seines Entnazifizierungsverfahrens. V. sympathisierte mit dem Nationalsozialismus, u. a. verteidigte er als Rektor die Ausschreitungen nationalsozialist. Studenten an der BOKU im Juni 1933; 1934 Mitgl. des NS-Hochschullehrerbunds, 1938 oder 1940 der NSDAP. Im Laufe des Kriegs distanzierte er sich offenbar von der NS-Ideol.; ob er tatsächl. ab Oktober 1944 in der österr. Widerstandsbewegung tätig war, ist nicht belegt. V. vertrat eine universalist. Staats- und Wirtschaftsauffassung (V. a. „Hauptprobleme der theoretischen Volkswirtschaftslehre auf sozialorganischer Grundlage“, 1931), gehörte jedoch nicht zum Kreis um →Othmar Spann. Seine zahlreichen Publ. zu geld-, kredit- und konjunkturtheoret. sowie handelspolit. Fragen haben heute nur mehr wissenschaftsgeschichtl. Bedeutung. Während der NS-Zeit trat er für die Etablierung Wiens als wiss. Zentrum zur Beeinflussung der Rechtsentwicklung in Südosteuropa ein, 1943/44 wurde auf sein Betreiben hin am Rechtswiss. Inst. die Abt. für Wirtschafts- und Handelspolitik Südosteuropas eingerichtet. V. erhielt 1918 den Preuß. Kronen-Orden III. Kl.; Mitgl. wiss. Ges., u. a. k. M. der Dt. Wirtschaftswiss. Ges., Mitgl. des Internationalen Landwirtschaftsinst. in Rom, der Royal Economic Society und der Dt. Statist. Ges.

Weitere W.: s. Vereinigung der Sozialwiss.- und Wirtschaftswiss. Hochschullehrer. Werdegang und Schriften der Mitgl., 1929; Website Archiv für die Geschichte der Soziol. in Österr. (Zugriff 13. 10. 2016).
L.: WZ, 26. 5. 1917; NFP, 4. 9. 1918; G. Heiss u. a., Willfährige Wiss., 1989, s. Reg.; P. Ebner, Politik und Hochschule, 2002, S. 80, 100, 133ff., 201; H. Trüper, Die Vjs. für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und ihr Hrsg. H. Aubin im Nationalsozialismus, 2005, S. 72, 74, 85ff.; K. v. Blumenthal, Die Steuertheorien der Austrian Economics, 2007, s. Reg., bes. S. 179, 230f., 262; R. Pfefferle – H. Pfefferle, Glimpfl. entnazifiziert, 2014, s. Reg., bes. S. 225f., 339; Th. Olechowski u. a., Die Wr. Rechts- und Staatswiss. Fak. 1918–38, 2014, s. Reg., bes. S. 612; AdR, AVA, Pfarre Wieden, UA, alle Wien; Website Archiv für die Geschichte der Soziol. in Österr. (m. W., Zugriff 13. 10. 2016).
(U. Denk)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 68, 2017), S. 315f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>